
Lüneburg. Mit dem Obst- und Gemüseladen „Fruchthof Habig“ fing 1929 in Lüneburg alles an. Doch nach 94 Jahren ist Schluss. Zum Sommer schließt in der Hansestadt ein weiteres Familienunternehmen mit langer Tradition für immer seine Ladentüren.
„Mein Mann ist schwer krank und das Geschäft ganz alleine zu wuppen, fällt mir zunehmend schwer“, erzählt Andrea Habig traurig. Gerüchten, die Schließung beruhe ausschließlich auf sinkenden Umsätzen, bestätigt die Mitinhaberin im Gespräch mit der Lünepost nicht.
„Ich schaffe nicht alles alleine“, erklärt sie, während sie am nostalgischen Tresen einige Tomaten auf die fast 100 Jahre alte Waage legt. „Aber natürlich spüren wir auch die Wirtschaftskrise. Die Menschen müssen ja immer tiefer in die Tasche greifen und die Zeiten werden wohl nicht besser“, glaubt sie.
Morgens um drei zum Hamburger Großmarkt
Wie arbeitsintensiv das Geschäft ist, erzählt Monika Habig anschließend draußen an den vielen Obstkisten: „Seit Jahren geht es für uns frühmorgens gegen drei Uhr mit dem Transporter zum Hamburger Großmarkt. Da müssen dann zwei Stunden Einkauf ausreichen, um gegen halb acht in Lüneburg den Laden öffnen zu können.“ Nach dem täglichen Pendeln muss sie die schweren Obst- und Gemüsekisten ausladen, das Sortiment aufstellen und immer bis spät abends im Geschäft stehen. Es reicht der Gemüsehändlerin: „Ich kann nicht mehr, will endlich mehr Zeit mit meinem Mann verbringen, für ihn da sein. Er braucht mich.“
Der Abschied fällt ihr sichtlich schwer: „Natürlich macht es einen traurig, aber mal im Klartext: Die Grapengießerstraße sieht trostlos aus. Es gibt immer weniger Kunden, die Stadt wird immer leerer, immer mehr Geschäfte geben auf. Wie soll es hier weitergehen, wie wird unsere Innenstadt in den nächsten Jahren aussehen?“, fragt Andrea Habig. Die Immobilie ist in Familienbesitz. Am Liebsten will sie weiter gewerblich vermieten und hatte auch schon erste Anfragen: „Erst neulich war ein Interessent hier, er würde hier gern ein Café eröffnen. Das würden wir auf jeden Fall begrüßen, wenn die Modalitäten stimmen“, sagt die Geschäftsfrau.
Verhängnisvoll sind die vielen Online-Bestellungen
Angesprochen auf die Unterstützung z. B. durch das in der Krise geschaffene städtische Innenstadtmanagement, lacht sie verbittert: „Einen Tag nach dem Interessenten standen zwei Herren von der Stadt bei mir im Laden. Sie meinten, dass sie es doch viel lieber sehen würden, wenn hier weiterhin Obst und Gemüse verkauft wird.“ Für die Geschäftsfrau sei der Auftritt „eine Frechheit“ gewesen: „Ich erklärte ihnen, dass das für mich okay wäre, wenn sie meine Kosten übernehmen. Denn wir sind die Eigentümer und wir entscheiden, was hier entsteht und was nicht!“
Noch etwas wurmt die Händlerin: der Online-Wahn der jungen Leute in der Nachbarschaft: „Jeden Tag fahren die Lieferdienste hier vorbei. Die Menschen lassen sich das Obst und Gemüse nach Hause liefern – dabei sind wir genauso günstig! Schlimm, dass auch viele Studenten unserer ach so nachhaltigen Stadt zu den Online-Kunden gehören.“
Noch bis Juli können Kunden im Fruchthof Habig ihr Obst und Gemüse bekommen. Dann ist nach 94 Jahren endgültig Schluss: „Ich werde unsere treuen Stammkunden sehr vermissen, aber wir sind ja nicht aus der Welt“, sagt die Inhaberin. „Wer sich für unser Geschäft interessiert, darf gerne im Laden vorbeischauen, wir sind für Ideen offen.“