
Lüneburg. Keine Frage: Zwischen dem Handel und der Lüneburger Stadtverwaltung herrschte schon mal bessere Stimmung. Das wurde vor kurzem beim Treffen des Lüneburger City-Managements (LCM) deutlich. Die Händler-Seite wirft der Verwaltungsspitze fehlende Rückendeckung vor, die wiederum fordert mehr Geduld ein. Doch Zeit haben viele Einzelhändler nicht – zu groß sind Not und Zukunftssorgen. Viele fürchten das Ausbluten der Stadt und verstehen nicht, warum am Stadtrand weitere Konkurrenz kommen könnte. Über die komplizierte Gemengelage sprechen Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und Innenstadtentwickler Carl-Ernst Müller im Interview mit der Lünepost.
Lünepost: Frau Kalisch. Den Innenstädten geht es schlecht, das ist kein Geheimnis und auch in Lüneburg unübersehbar. Beim Treffen der im LCM versammelten Innenstadthändler wurde jüngst Kritik auch in Ihre Richtung laut. So wurde moniert, dass Sie bereits im zweiten Jahr dem Treffen ferngeblieben sind. Warum waren Sie nicht bei der Versammlung?
Claudia Kalisch: „Es war einfach zu kurzfristig. Ich habe erst zwei Wochen vorher eine Einladung bekommen und hatte bereits Termine. Im Übrigen bin ich im vorigen Jahr sehr wohl dagewesen, damals sind wir später aus der Sitzung des Verwaltungsausschusses dazugestoßen – was dem LCM aber bekannt war. Auch da kam die Einladung sehr kurzfristig. Ich hoffe, dass das im nächsten Jahr anders ist, denn es ist mir ein persönliches Anliegen, dabeizusein.“
Lünepost: Ihr Amtsvorgänger Ulrich Mädge besuchte an dem Abend sowohl das Treffen des Fördervereins Saline, bei dem auch Sie gewesen sind – und auch das des LCM. Das war Ihnen nicht möglich?
Kalisch: „Es ist ja schön, dass Herr Mädge als Pensionär die Zeit hatte. Ich hatte sie an dem Abend aus Termingründen nicht.“
Lünepost: Tenor des LCM-Abends war: Die Stadt unternimmt zu wenig für Händler und Gastronomie in der Stadt. Dass Ihre Stellvertreterin Jule Grunau dann auch noch sagte, Politik könne die Stadt nicht retten, hinterließ viele sprachlose Gesichter. Wie ist denn Ihre Sichtweise dazu?
Kalisch: „Ich möchte es so formulieren: Die Verwaltung kann den Strukturwandel nicht verhindern. Wir können ihn nur gestalten. Ein Beispiel: Wir haben ein Förderprogramm für die Übernahme von Mieten bei Neuansiedlung. Das läuft am Jahresende aus – und die Mittel sind bisher erst zu einem Drittel abgerufen worden. Das zeigt: Kleine Pflaster helfen nicht. Nochmal: Wir können die Entwicklung nicht verhindern, aber gemeinsam gestalten. Diese Chance müssen wir nutzen. Das ist nicht nur ein Lüneburg-Problem. Wir begleiten – und das machen wir sehr intensiv in Kooperation mit der Lüneburg Marketing. Wir haben da viel vor. Was mir wichtig ist: Ich habe selbst ein Unternehmen in der Innenstadt mitgegründet. Ich kann mir vorstellen, wie es ist als Inhaber, wenn man sich fragen muss, ob man nächsten Monat noch die Miete zahlen kann. Und dann liegen die Nerven halt blank. Das ist für mich absolut nachvollziehbar. Und wer immer aus der Kaufmannschaft einen Termin mit mir möchte, der bekommt auch einen.“
Lünepost: Herr Müller, im Vorjahr erhielt Lüneburg Förderbescheide über mehrere Millionen für eine nachhaltige Entwicklung der Stadt. Abgesehen von den ersten beiden Bänken, die seit einigen Tagen bei Ihnen im Rathausgarten und auf dem Lambertiplatz stehen, ist bisher nichts zu sehen. Wann passiert da mehr?
Carl-Ernst Müller: „Im Glockenhof und im Clamartpark ist ja schon einiges passiert und die Toilette am Reichenbachplatz ist in der Planung. Wenn man weiß, dass die Mittel aus diesen Töpfen stammen, dann erkennt man schon, dass etwas passiert.“
Kalisch: „Verwaltungsaufgaben dauern: Die Innenstadtmaßnahmen werden großteils aus Förderprogrammen finanziert, von denen zum Glück alle für Lüneburg eingeworben werden konnten. Allerdings gibt es die Mittel oft nur gegen abgestimmte und beschlossene Konzepte. Konzeptionierung, Beteiligung, Vorprüfung, Beantragung, Ausschreibung, Vergabe. Inzwischen ist das erste Stadtmobiliar da, dann kommen die Grünen Oasen, auch der Marienplatz wird geplant. Zudem überlegen wir mit dem Stadtmarketing, eine mobile Bühne anzuschaffen, die man einfach auf den Markt oder den Marienplatz ziehen kann. Bei Ihnen in der Lünepost gab es gerade einen Leserbrief zum Thema Spielzonen für Kinder: Auch dazu wird ein Konzept zum Spielen und Verweilen umgesetzt – und wir haben den Verfügungsfonds Kultur. Zur Wahrheit gehört auch, dass es in fünf Jahren anders aussehen wird als vor fünf Jahren. Wir müssen das Thema Innenstadt neu denken – und wir brauchen charakteristische Ideen für Lüneburg, die die Unverwechselbarkeit unterstreichen. Es braucht Lust, Liebe und Leidenschaft dafür – und kein Lamentieren.“
Lünepost: Das Leerstandsmanagement ist doch auch Teil des Arbeitsbereiches Ihres Teams, Herr Müller? Wie sieht es da aus? Stehen Sie in Kontakt mit potenziellen Mieter? Sprechen Sie mit den Maklern?
Müller: „Ja, aber das bekommt man von außen nicht mit. Wir setzen uns mit den Besitzern und Maklern auseinander, sprechen über ihre Immobilien. Da geht es u. a. um Brandschutzmaßnahmen oder die Flächenausweitung für große Angebote. Und natürlich thematisieren wir auch die Frage der hohen Mieten. Wir sind als einzige Stadt in Niedersachsen beim Forschungsprojekt Lean dabei. Das nutzen wir, um zwischen Interessenten und Eigentümern zu vernetzen.“
Lünepost: Im Rahmen einer Recherche unserer Redaktion kam im Gespräch mit McDonald‘s heraus, dass man durchaus stark interessiert am Standort Lüneburg sei, man sich über Angebote freue. Hat man den direkten Kontakt mit diesem Unternehmen im Speziellen, aber auch mit anderen potenziellen Mietern für die vielen leerstehenden Flächen aufgenommen?
Müller: „Ich kann konkrete Anfragen hier natürlich nicht diskutieren.“
Kalisch: „Aber grundsätzlich sind wir da natürlich dran. So etwas ist halt nicht öffentlich sichtbar.“
Lünepost: Nichtsdestotrotz: Ist es nicht so, dass man bei der einen oder anderen Sache auch mal früher in die Öffentlichkeit gehen sollte – auch wenn es mal nicht eine positive Botschaft ist? Damit man als Lüneburger versteht, was funktioniert und was nicht.“
Müller: „Vielleicht machen wir das ja gerade – und das finde ich gut. Wir haben ungefähr 30 Maßnahmen, die laufen und kommen sollen. Bestes Beispiel ist der Glockenhof, der jetzt hoffentlich bald fertig ist.“
Lünepost: Das ist gerade ein Beispiel, bei dem sich Anlieger über fehlende Information und Beteiligung beschwert haben.
Müller: „Ich war bei der Infoveranstaltung dabei. Ich fand den Verlauf gut präsentiert. Aber klar: Beim Thema Zeitplan hat man sich das anders erhofft.“
Kalisch: „Am Ende zählt doch das Ergebnis. Ich kann verstehen, dass es Unmut gegeben hat, aber: Wir müssen die Verwaltungsprozesse durchlaufen. Wichtig ist mir, dass wir das Positive transportieren und nicht alles kaputt reden. Wir haben hier in Lüneburg einen Schatz! Da sieht es in anderen Städten viel trostloser aus.
Übrigens: Für den Innenstadtbeirat am 9. Mai konnten wir Mark Alexander Krack, den Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Niedersachsen-Bremen, gewinnen, der uns eine Perspektive geben und Lüneburg im Vergleich mit anderen Städten betrachten wird, so dass wir voneinander lernen können. Die Veranstaltung ist auch für Nichtmitglieder geöffnet. Details folgen in Kürze.
Außerdem wird Wirtschaft und Digitalisierung dieses Jahr das große Thema bei der Stadtkonferenz sein.
Noch einmal: Strukturwandel betrifft uns alle und wir werden ihn nur gemeinsam gestalten können.“
Lünepost: Ist denn Teil des Strukturwandels auch, dass ein Modeunternehmen aus der Peripherie sich extrem erweitern möchte?
Kalisch: „Darüber ist zu sprechen. Die Entscheidung trifft am Ende der Rat. Wir sind dazu ja gerade im Mediationsgespräch. Über Inhalte haben wir Stillschweigen vereinbart, um einander Vertrauen zu beweisen. Meine Hoffnung ist, dass wir mit freiem Kopf und kreativen Ideen eine Win-Win-Situation für alle schafften.“
Lünepost: Sie meinen eine Verbindung, bzw. Anbindung an die Innenstadt?
Kalisch: „Wie auch immer. Dafür muss man sich miteinander austauschen. Dieser Austausch findet jetzt statt und ich hoffe, dass wir eine Lösung finden.“
Lünepost: Hand aufs Herz: Hat das Unternehmen nicht längst das Innenstadtentwicklungskonzept unterlaufen und ein Nebengebiet geschaffen?
Kalisch: „Dafür gibt es meiner Kenntnis nach ja die entsprechenden Beschlüsse und Genehmigungen. Und das Ganze hat ja auch eine sehr lange Geschichte.“
Lünepost: Im textilen Einzelhandel und im Schuhhandel sieht man die Gefahr, dass bei einer Genehmigung bald der nächste Textil-Filialist im Ilmenau-Center eröffnet oder der nächste Schuhhändler …
Kalisch: „Darüber werden wir diskutieren müssen – und genau dafür haben wir unsere Gremien. Aber da sehe ich aktuell überhaupt keine Tendenzen. Grundsätzlich stehe ich für Dialog.“
Lünepost: Frau Kalisch, Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch!