
von Katja Romstädt
Lüneburg. Im engen Gartenhäuschen brummte mir vor kurzem ein riesiges, gelb-schwarz gestreiftes Insekt um den Kopf. Welch ein Schreck! Das musste eine Hornisse sein, für eine Wespe war das Tier viel zu groß, das kurz darauf in einem kleinen Nest an der Decke verschwand. Was tun? Dass das Nest nicht bleiben konnte, war klar. Denn das Gartenhaus wird schon wegen der Fahrräder täglich mehrmals betreten. Wenn dann irgendwann hunderte potenziell stechende Insekten um meinen Kopf herumschwirren – nein danke!
Dass man Hornissen aber nicht einfach entfernen darf, war mir klar – sie stehen unter Artenschutz. Also schnell ein Anruf bei der Hornissen-Hotline des Landkreises, der zugleich die zuständige Untere Naturschutzbehörde ist. Man gibt mir die Nummer des Hornissenbeauftragen Martin Perten. Zwei Tage später steht er in meinem Garten.
Er erkennt auf den ersten Blick: Es ist keine Hornisse, sondern eine Sächsische Wespe. Aber warum ist sie so riesig? Ganz einfach: Es ist die Königin, die deutlich größer ist als die Untertanen ihres späteren Volkes. Und sie ist noch ganz allein. Denn ihr fällt die Aufgabe zu, die ersten Nestteile zu bauen und in die Waben ihre Eier zu legen. Erst wenn die nächsten Wespen geschlüpft sind, wird sie von ihnen Hilfe beim Nestbau bekommen.
Perten beruhigt: „Die Sächsische Wespe ist sehr friedlich, man sieht sie auch nicht auf dem gedeckten Gartentisch.“ Sogar wenn man dem Nest recht nahe komme, würde sie nicht angreifen. Eigentlich könne sie meist auch an Ort und Stelle bleiben.
Sächsische Wespe liebt Dachböden und Gartenhäuser
Mit wenigen geübten Handgriffen und nur einem Handschuh nimmt der Experte das Nest samt Wespenkönigin ab und verstaut es in einer Plastikdose. „Die Sächsische Wespe baut ihre Nester immer an geschützten, warmen Orten, sehr häufig auf Dachböden oder eben in Gartenhäusern. Ihr Nest hängt immer an der Decke.“ Während Perten mir das alles erzählt, schwirrt ihm schon wieder eine dicke Wespe um den Kopf. Er verschwindet wieder im Gartenhaus. Ein kurzer Blick an die Decke – und er entdeckt erst ein und dann noch zwei weitere Nester. „Das ist ziemlich typisch“, sagt er. Da die Tiere sehr friedlich seien, würden sie sich auch in der Enge nicht gegenseitig stören. Er verstaut auch die zweite Königin samt Nest in einem Glas. Dann warten wir, denn: „Ausflüge der Wespe dauern nicht länger als 20 Minuten“, erklärt Martin Perten. Aber es kommt keine mehr. Hätte ich die Nester auch selber entfernen können, wenn die Wespe gerade unterwegs ist? „Das bringt nichts. Die Königin fängt sofort wieder an zu bauen.“ Mindestens drei Kilometer müsse man sie wegbringen, damit sie sich einen anderen Ort sucht.
Perten ist einer von drei Hornissenbeauftragen im Landkreis. Sie kümmern sich auch um Wespen und Bienen. Im „normalen“ Leben ist der 38-Jährige Zahntechniker und dreifacher Familienvater. „Mein Vater hatte Bienenstöcke. Ich mochte diese Tiere schon immer“, erklärt er seine Idee, ehrenamtlicher Hornissenbeauftragter zu werden. Dafür musste er einen Lehrgang in Hannover absolvieren: „Das war ganz schön hart, viel Theorie.“ Wie er mit den Tieren vor Ort umgeht, hat er sich größtenteils selbst erarbeitet.
Mit der Sächsischen Wespe habe ich Glück gehabt. Die Gemeine und die Deutsche Wespe bauen andere Nester. Häufig graben sie sich im Boden ein – und sie sind deutlich aggressiver: „Da gehe ich nicht selber ran“, sagt selbst Perten. „Sie greifen einen an, wenn man sie stört.“ Er rät eingehend davon ab, ein Nest selbst zu entfernen, etwa mit Wasser: „Sie haben oft noch einen weiteren Ausgang und greifen dann von hinten an!“ Hier helfe nur der Kammerjäger.
Hornissen sind nicht aggressiv
Pertens Lieblingsinsekten sind Hornissen. Er gerät geradezu ins Schwärmen, wenn er von ihnen spricht. Auch Hornissen seien nicht aggressiv. Und sie würden auch nicht mehr Gift als Wespen versprühen: „Der Stich tut nur mehr weh als der von einer Wespe, weil ihr Stachel dicker und länger ist.“ Er selber siedelt gern Hornissen auf seinem großen Grundstück in Melbeck an. Ein Grund: „Sie sind der beste Schutz gegen die Gemeine und Deutsche Wespe, denn wo sie sind, siedeln sich die aggressiven Wespen nicht an.“
Hornissen sind streng geschützt: „Schon das Einfangen einer einzelnen Hornisse ist strafbar.“ Wenn möglich, solle man Hornissen lassen, wo sie sind. Normalerweise kämen sie auch nicht ins Haus – außer abends: „Die Hornisse fliegt zum Licht, anders als die Wespen. Sie schläft auch nicht nachts.“ Sein Tipp: „Wer ein Hornissennest in der Nähe hat, sollte ein Fliegengitter an der Terrassentür anbringen. Wenn sie schon drin ist: Licht innen aus, draußen an.“
Ist die Umsetzung notwendig – so wie voriges Jahr an einer Kita –, muss erst eine Genehmigung von der Unteren Naturschutzbehörde eingeholt werden. Dann kommt Perten mit einer selbstgebauten Vorrichtung: Ein Staubsauger mit einem zwischengeschalteten Kasten, in dem sich die vorsichtig abgesaugten Hornissen fangen. Erst danach nimmt er das Nest ab und bringt es an seinen neuen Bestimmungsort.
Übrigens: Sollten Gemeine, Deutsche oder auch Rote Wespen in der Nähe siedeln und die Kaffee- oder Grillrunde stören, rät der Experte: „Kaffeepulver verbrennen. Das ist das Einzige, was sie wirklich vertreibt!“
Die Hornissenhotline des Landkreises, Tel.: (04131) 26 16 00