
Lüneburg. Das große Grauen beginnt da, wo Jan Stöhlmacher die Fäden zieht. Er weiß genau, welchen Knopf er drücken muss, damit sein Gegenüber schreiend das Weite sucht. Der Lüneburger ist Chef-Erschrecker von Deutschlands wohl schaurigster Mannschaft – der Boo-Crew aus Hamburg.
Der 50-Jährige liebt Achterbahnen und Adrenalin. Urlaube und Wochenenden verbringt er weltweit in Freizeitparks, immer auf der Suche nach einer noch schnelleren oder skurrileren Bahn. „Da liegt der Horror nicht weit entfernt“, schmunzelt er. Bei einer Tour 2004 im Heide-Park motiviert das Management Jan Stöhlmacher zu einer Gruselshow. Mit Erfolg – denn seitdem sucht er Gleichgesinnte, die das Schreien anderer noch mehr lieben als ihr eigenes und mit ihm gemeinsam auf Erschrecker-Tour gehen. Zu Beginn waren es Freunde und seine Geschwister. Heute ist die Boo-Crew ein eingetragener Verein mit insgesamt 127 Mitgliedern, eigenem Kreativ-Team, Masken- und Bühnenbildnern. Zusammen sind sie die professionellen Erschrecker – ihr Schwerpunkt: der Heide-Park.
Eigentlich arbeitet Jan Stöhlmacher als Projektmanager in einem Hamburger IT-Unternehmen. Seinem schaurigen Hobby kommt er nach Feierabend nach. „Ich gehe natürlich nicht jede Nacht raus und mache Horror“, erzählt er und lacht.
Hochsaison für seinen Horror ist im Oktober. Die Vorbereitungen dauern aber das ganze Jahr über. Manchmal tritt die Boo-Crew auch auf Jahrmärkten oder in anderen Freizeitparks auf. Sie zogen schon als Piraten-Zombies über den Hamburger Dom oder durch den Dungeon. Ihr Zuhause ist aber im Heide-Park in Soltau – da, wo alles begann und auch ihre drei festen Attraktionen stehen. Auf mehreren Hundert Quadratmetern schafft die Boo-Crew hier Horrorfilme zum Durchgehen, allesamt in Eigenregie entworfen und erbaut. Freigegeben ist die Attraktion ab 16 Jahren, denn „dann können wir richtig aufdrehen, es blutig machen und richtig eklig sein“, verrät der Chef-Erschrecker.
„Obscuria“ beispielsweise ist ein einst fröhlicher Freizeitpark, der Ende der 1960er Jahre geschlossen und größtenteils abgerissen wurde, damit an dieser Stelle 1978 der Heide-Park errichtet werden konnte. Lediglich ein Bereich des alten Parks wurde dabei vergessen – dort hatte eine Freakshow gastiert und die Freaks und Clowns haben diesen Bereich nie verlassen. „Das ist sehr stimmungsvoll“, ist der Macher überzeugt. Hinter den Attraktionen steckt weit mehr als nur ein Hobby: „Wir investieren jede freie Minute, jedes Wochenende in den Horror.“ Gerade wenn die Boo-Crew an einer neuen Attraktion baut, geht es grundsätzlich im Januar los – und dann wird jedes Wochenende geplant, geschraubt und dekoriert. Das sei sehr aufwändig, denn halbe Sachen gibt es bei der Boo-Crew nicht – und „Scream“ war gestern. Hier wird auf Kulisse, Maske und Qualität gesetzt. „Die Leute gehen da rein und sind in einer komplett anderen Welt – und dann bröckelt auch das Nervenkostüm“, weiß Jan Stöhlmacher.
Es gibt jedoch eine feste Regel für Stöhlmacher und sein Team: „Wir fassen die Leute nicht an.“ Die Besucher sollen sich sicher sein, dass ihnen nichts passieren wird, niemand beschädigt oder verletzt wird. Aber es soll sich so echt anfühlen, dass das völlig egal wird und die Besucher einfach nur noch raus wollen. „Wenn sich jemand auf den Boden schmeißt und nur noch raus will, helfen wir ihm natürlich dabei“, betont der Organisator und muss zugeben: „Wenn die Besucher schreiend rausgehen, haben wir alles richtig gemacht.“
Geld verdient die Boo-Crew keines mit ihrem Horror, der Park zahlt die Baukosten, sie dürfen umsonst schlafen und essen – und morgens, vor Parköffnung, bestimmt auch Achterbahn fahren. Aber in erster Linie geht es der Boo-Crew um den Spaß am Gruseln. Wer also sein Blut in den Adern gefrieren lassen möchte, kommt an den Halloween-Wochenenden (freitags und samstags ab 17 Uhr) in den Park. „Wenn ihr denkt, wir stehen hinter einer Ecke, dann stehen wir garantiert hinter einer anderen“, warnt der Chef-Erschrecker.