„Bergfest“: Interview mit Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch

Lüneburg. Seit dem 1. November 2021 ist Claudia Kalisch Oberbürgermeisterin der Hansestadt Lüneburg. Sie ist die erste Frau und erste Grüne, die im Rathaus das Sagen hat. Zur Halbzeit ihrer Amtszeit sprach sie mit Lünepost-Redakteurin Meike Richter.

Lünepost: Frau Kalisch, wie zufrieden sind Sie mit Ihrer ersten „Halbzeit“?
Claudia Kalisch: „Ich bin immer noch froh und dankbar für diese Ehre, Oberbürgermeisterin dieser Stadt zu sein. Natürlich wäre ich bei einigen Punkten und Themen gerne inhaltlich viel weiter. Auf der anderen Seite habe ich dieses Amt in einer besonderen Situation übernommen, bei der man andere Prioritäten setzen musste. Ich bin stolz, was die Verwaltung geleistet hat in einer Zeit großer Herausforderungen und positiv überrascht, was wir nebenbei tatsächlich inhaltlich umsetzen konnten.“

Lünepost: An welche Themen denken Sie da?
Kalisch: „Erst war Corona noch nicht zu Ende. Knapp 100 Tage nach meiner Vereidigung überfiel Putin die Ukraine. Seitdem haben wir knapp 1000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen und 800 Schutzsuchende aus anderen Teilen der Welt. Dann kam die Energiekrise. Da habe ich die erste Stadtkonferenz ins Leben gerufen. Dazu die Inflation. Das Krisenmanagement hat natürlich die erste Halbzeit massiv geprägt. Das Gute daran war: Es hat uns zusammengeschweißt und es war für mich eine ganz persönliche Art, die Menschen hier im Rathaus kennenzulernen, weil sich gleich alle untergehakt und Prioritäten gesetzt haben.“

Stolz auf die Sanierung des Gradierwerks

Lünepost: Was haben Sie seitdem geschafft?
Kalisch: „Es gibt ein paar Dinge, die mich wirklich freuen: Zum Beispiel, dass wir in der Innenstadt für weitere barrierefreie und gute Aufenthaltsorte gesorgt haben mit den Grünen Oasen, dem Umbau von Glockenhof und Clamartpark, der Skateranlage und der Salzstraße am Wasser. Auch in Sachen Klimaschutz und -anpassung sind wir ein Stück weiter. Es gibt die Hochwasserrisikokarte, wir haben eine Strategie für den Ausbau von PV-Anlagen. Wir haben die grundlegenden Beschlüsse für den Windpark in Deutsch Evern, der unsere Klimaneutralität ein großes Stück voranbringt und uns unabhängig macht. Wir haben einen qualifizierten Mietspiegel vorgelegt.
Das zentrale Jugendzentrum war ein ganz entscheidendes Thema, als ich angetreten bin. Auch hier gibt es jetzt eine Lösung. Das Baugebiet Wienebüttel ist rechtssicher. Wir haben die Basis gelegt für unser Stadtentwicklungskonzept und beim Mobilitätskonzept die ersten Schritte auf den Weg gebracht. Der Fahrradring ist zumindest in der Haagestraße einen Schritt weiter, auch wenn ich mir schnellere Schritte gewünscht hätte. Wir haben zum Thema attraktiver Arbeitgeber einiges auf den Weg gebracht. Ich konnte mich mit dem Jobticket durchsetzen. Und wir haben das Thema Bridgen angefasst.“

Lünepost: Apropos Bridgen, wie funktioniert das mit der neuen Straßenführung durchs Wasserviertel? 
Kalisch: „Naja, hinsetzen kann man sich immer noch auf der Straße. Das ist ja auch kein neues Thema. Das haben wir damals schon zu meiner Studentenzeit gemacht …

Lünepost: Wir haben damals auf den Treppen gesessen, die jetzt an Gastronomen vergeben sind …
Kalisch: „Ich kann natürlich alle Anwohnenden und Hoteliers verstehen. Es gibt mittlerweile eine öffentliche Toilette, mehr Mülleimer sowie Flaschensammelringe. Wir haben Streetworker losgeschickt, die für Ruhe sorgen. Ich habe es immer friedlich erlebt und hoffe, dass es so bleibt.“
Lünepost: Die Hälfte der Amtszeit ist vorbei – leider oder zum Glück?
Kalisch: „Leider. ‚Zum Glück‘ ist nur das Gefühl: Ich bin jetzt angekommen. Ich weiß, dass es ein paar Jahre braucht, bis man in dieser Position alle Netzwerke kennengelernt, die Themen durchdrungen hat. Dazu kommt, dass hier im Haus ein großer Kulturwandel stattfindet, nachdem es 30 Jahre lang von einer Person geprägt war (Anm. d. Red: sie meint Vorgänger Ulrich Mädge). Ich freue mich, dass ich die erste schwierige Zeit durch habe und immer mehr angekommen bin. ‚Leider‘ sage ich, weil natürlich die Jahre sehr kurz sind, um neben dem Krisenmanagement inhaltliche Themen voranzutreiben. Und im Grunde ist man ja nach der Hälfte der Zeit schon fast wieder im Wahlkampf.“

Kalisch will eine zweite Amtszeit

Lünepost: Das heißt, Sie treten nochmal an? 
Kalisch: „Ja, klar.“

Lünepost: Was ist rückblickend bisher das prägendste Ereignis für Sie/für Lüneburg seit Amtsantritt gewesen?
Kalisch: „Es gibt viele Dinge, über die ich mich freue, die man aber nach außen gar nicht so sieht. Sichtbar ist aber die Sanierung des Gradierwerks, verbunden mit Energiegewinnung – das wird bundesweit ein Paradebeispiel. Es ist mit das innovativste Projekt derzeit, genau wie der Hort an der Anne-Frank-Schule. Die Nachricht, dass die Bahnreaktivierung kommt, ist für uns auch großartig. Das macht uns als Stadt attraktiver, das macht es attraktiver, im Umland zu wohnen. Denn, wenn man im Umland wohnen kann, ohne ein Auto vor der Tür zu benötigen, dann hilft uns das auf dem Wohnungsmarkt auch bei der Mobilitätswende. Prägend war auch bei Kriegsausbruch die große Demo, das große Miteinander der Lüneburger. Dieses Zusammenstehen für demokratische Werte und das Unterhaken der Stadtgesellschaft – da bekomme ich Gänsehaut.“

Lünepost: Zum angespannten Wohnungsmarkt hatten Sie im Wahlkampf mehrere Ideen: Günstiger bauen mit der Lüwobau. Den Ausbau von Dachgeschoss-Wohnungen erleichtern. Baulücken schließen und eine Wohnraumbörse. Was davon ist geschehen?
Kalisch: „Hier ist genau der Punkt, wo andere Themen zunächst prioritär waren, die politische Vorüberlegungen noch nicht sichtbar sind. Aber wir sind da dran.“

Lüneburg ist nach wie vor attraktiv

Lünepost: Es ist ein Bürgerrat gebildet worden, dessen Mitglieder vornehmlich dem links-grünen Milieu unserer Stadt angehören. Ist es so möglich, dass dieses Gremium Beiträge liefert, die die Interessen aller berücksichtigen?
Kalisch: „Niemand aus der Verwaltung bestimmt, wer in diesen Rat kommt. Sondern es ist ein Losverfahren auf Basis der Daten des Meldeamtes, bei dem die Menschen angeschrieben und gefragt werden, ob sie Lust haben mitzuwirken. Die politische Gesinnung wird dabei gar nicht abgefragt.“

Lünepost: Die Innenstadt krankt, der Leerstand nimmt zu. Welche Kraftanstrengung ist da noch nötig?
Kalisch: „Wir haben als eine der ersten Kommune das Leerstandsmanagement implementiert. Der Schlüssel liegt aber auch bei den Vermietern. Da werde ich nochmal zu einem Vermietertermin einladen. Einige sind nur leider schwer zu erreichen. Man muss aber auch ehrlich sagen, dass Lüneburg noch attraktiv ist und auch genau das bleiben wird, wenn wir genau das auch nach außen tragen. Uns geht es im Vergleich zu anderen Städten noch gut. Nur ist es unsere Aufgabe, die Attraktivität unserer Stadt auch selber weiter zu fühlen, zu leben und nach außen zu tragen.“ 

Lünepost: Sie sagten kürzlich bei einem Termin in unserem Haus, dass die Kommunen „ausbaden“ , was Berlin entscheidet. Wäre es nicht wichtig, klar zu sagen, was sie nicht mehr wuppen können?
Kalisch: „Das mache ich! Ich sage immer wieder öffentlich, dass wir viele Aufgaben von Bund und Land bekommen, die nicht durchfinanziert sind. Was dazu führt, dass kommunale Haushalte in millionenschweren Defiziten sind – und was wiederum dazu führt, dass man eigene Projekte und freiwillige Leistungen streichen muss. Kita-Betreuung, Ganztagskoordination, Flüchtlingsunterbringung: Es sind viele Aufgaben, die nicht durchfinanziert sind.
Allerdings können wir nicht dagegen ansparen. Es gibt gar nicht genügend freiwillige Leistungen, auf die wir verzichten könnten, um diese Deckungslücke zu schließen. Und ich werde Lüneburg auch nicht kaputt sparen. Das ist unsere Verantwortung im Rat, dafür einen Mittelweg zu finden.“

„Wer die LMG trägt, muss auch die Ausrichtung mitbestimmen“

Lünepost: Die Lüneburg Marketing ist mal wieder in der Krise. Kann die Stadt tatsächlich ihre Beteiligung erweitern, damit die LMG auch förderfähig ist?
Kalisch:
„Zunächst einmal: Es gibt für das vergangene Jahr ein Defizit im Abschluss, das können wir aber noch Eigenkapital decken. Das ist alles überhaupt kein Drama, die Gesellschaft ist stabil. Trotzdem muss man sich Gedanken machen für die Zukunft und tatsächlich ist es so, dass die Gesellschafterstruktur zu prüfen ist. Denn es ist richtig: Bei vielen Förderprogrammen muss eine Quote von etwas mehr als 50 Prozent kommunaler Anteil sein, sodass auch Fördermittel fließen können. Unabhängig davon ist die LMG eine Tochter von uns, in die wir sehr viel Geld geben. Auch das ist ein Zeichen von Kulturwandel, weil künftig klar sein muss: Wer die Gesellschaft trägt und finanziert, muss auch die Ausrichtung mitbestimmen.“

Lünepost: Wie meinen Sie das?
Kalisch: „Wir müssen mehr Einfluss in Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung haben. Wir geben 80 Prozent der Mittel und haben gleiches Stimmrecht wie die, die weniger geben. Es ist da an der Zeit, die Strukturen zu prüfen, damit wir auch den Einfluss haben, den wir finanzieren.“
 
Lünepost: Sie sagten im Wahlkampf, „Mein Ziel ist es, in der Verwaltung die Eigenverantwortung zu stärken und kreative Lösungen zu fördern.“ Ist Ihnen das gelungen?
Kalisch: „Zu diesem Satz stehe ich nach wie vor. Damit ist auch der Kulturwandel in der Verwaltung gemeint. Und da nehme ich wahr, dass sich die Mitarbeitenden freuen über Verantwortung. Sie blühen auf und entwickeln selber Ideen. Klar ist auch: Wo Menschen arbeiten, da passieren auch Fehler. Damit gehe ich wertschätzend um. Fehler dürfen passieren, es darf nur nicht derselbe Fehler zweimal passieren. Das ist, was z. B. eine Kultur im Haus ausmacht, die sich natürlich erstmal entwickeln muss.“

Kreative und proaktive Verwaltung

Lünepost: Es gibt immer wieder Kritik, die Verwaltung würde nur noch verwalten und gar nicht gestalten. 
Kalisch: Wir sind eine Verwaltung. Ich habe diese Verwaltung hier als sehr offen, sehr kreativ und innovativ erlebt, damit hatte ich anfangs gar nicht gerechnet. Es hat mich überrascht, wie proaktiv Dinge vorangetrieben werden. Windpark, Gradierwerk, Familienwegweiser und Jobportal zeugen z. B. davon.“

Lünepost: Zum Schluss eine Vision: Wie sollte Lüneburg zum Ende Ihrer (ersten) Amtszeit aussehen?
Kalisch: „Auch bei den aktuellen Herausforderungen dieser Zeit sollen sich in Lüneburg alle Menschen wohl und zu Hause fühlen, gern leben und arbeiten. Dafür werde ich mich weiter einsetzen, mit all meiner Kraft und Leidenschaft.“

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