
Lüneburg. Diese Geschichte hat eine lange Vorgeschichte. Die Recherche hat den Autor ein Jahr lang immer wieder beschäftigt. Es geht um einen Strahlemann und Stimmungsmacher, der irgendwann sogar TV-Berühmtheit erlangt. Und es geht um viele, die auf diesen Strahlemann hereingefallen sind und wohl viel Geld verloren haben. In diesem Text nennen wir den Mann DJ Tom. Der Name ist erfunden, der Rest soll sich aber so oder ganz ähnlich zugetragen haben.
Als DJ in den großen Lüneburger Locations gehört Tom viele Jahre zu den Besten. Ritterakademie und Vamos sind seine Stamm-Läden. Hier sorgt Tom regelmäßig für volle Dancefloors. Sein guter Ruf macht ihn zum vielgebuchten DJ für Hochzeiten und Privatveranstaltungen. Nebenbei moderiert er ein Online-Videoformat, ist damit quasi Vorreiter heute angesagter Podcasts. Auch beim Stadtmarketing darf Tom eine Zeitlang organisatorisch mitmischen.
Jedoch: Toms Engagements sind nie von Dauer. Das Youtube-Format wird wieder eingestampft, beim Marketing kommt es nach einem Stadtfest zum Megakrach. Stets wird gemunkelt, dass Tom es mit dem Finanziellen nicht so genau genommen haben soll. Von Fehlbeträgen in fünfstelliger Summe ist die Rede.
Parallel tauchen immer wieder enttäuschte Auftraggeber auf. Nicht nur einmal, so heißt es, hat Tom für eine Hochzeit zugesagt, kommt aber nicht. Häufig soll er kurz vor der Veranstaltung eine Vertretung organisiert haben.
DJ-Kollegen warnen sich gegenseitig
Bei Whatsapp gibt es eine Chatgruppe der Lüneburger DJs. Der Redaktion liegen die Sprachnachrichten vor, in denen man sich irgendwann gegenseitig vor DJ Tom warnt. Denn immer wieder tischt der seinen Kollegen abenteuerliche Geschichten auf, damit sie für ihn einspringen. Schwere Krankheiten und sogar den Tod des eigenen Sohnes soll er erfunden haben. Aus Mitleid sagen sie zu – müssen dann aber ihrer Gage hinterherlaufen. Das Honorar soll Tom im Vorfeld von seinen Auftraggebern kassiert haben. Seine oft weitgereisten Vertretungen sollen davon nur einen Bruchteil gesehen haben – wenn überhaupt.
Es gibt noch viele weitere Vorwürfe gegen den DJ: Mal verspricht er einer Arbeitskollegin einen unschlagbar günstigen New-York-Trip, der nie stattfindet. Ein andermal hat er Tickets für den ausgebuchten Partytruck beim Schlagermove – oder er will einem bekannten Lokalpolitiker günstige Unterhaltungselektronik besorgen. Die Vorkasse fließt, Leistungen soll Tom jedoch so gut wie nie geliefert haben. Einige haben ihr Geld wiedergesehen, doch die meisten warten wohl immer noch. Viele Geschädigte schweigen aus Scham.
Liebling bei „Rote Rosen“
Dann der Karrieresprung: Tom wird Schauspieler. Bei „Rote Rosen“ lieben die Fans den vom Komparsen zum Dauer-Darsteller aufgestiegenen Endvierziger. Doch auch hier kommt es zum Bruch: Von nicht abgesprochenen Studio-Führungen oder geplatzten Stadtführungen mit TV-Promis reichen die Geschichten. Zudem taucht der Gerichtsvollzieher immer öfter in den Studios auf.
Tom fliegt. „Seine Geschichte ist auserzählt“, verkauft die Produktion sein Serien-Aus. Auf Social Media bricht ein Proteststurm los. Gegenüber den Fans verkauft der Geschasste sein Ausscheiden kryptisch: „Türen schließen sich, Türen öffnen sich. Dinge passieren“, schreibt der DJ dort. „Meine Stimme wird nicht gehört – bin ich zu leise? Laut ist nicht mein Ding. Macher müssen nicht laut sein. Sie müssen nur funktionieren.“
Insolvenz mit langer Gläubigerliste
Was der „Macher“ Tom nicht sagt, erzählt eine Lüneburger Unternehmerin. Auch sie habe dem DJ viel Geld gegeben. 6000 Euro Vorschuss für die Organisation einer Party im Libeskind-Bau. Auch sie hat ihr Geld nicht wiederbekommen. Per Kleinanzeige in der Lünepost sucht sie nach weiteren „Opfern“ des DJs. „Der Rücklauf hat mich überrascht“, erzählt die Betreiberin zweier Innenstadtläden. Sogar aus der Schweiz hätten sich Geschädigte gemeldet: „Ein älteres Ehepaar, das bei ihm ein Rote-Rosen-Wochenende in Lüneburg gebucht hatte. Ein Rundum-sorglos-Paket mit Führung und Übernachtung. Gegen Vorkasse natürlich.“ Als die Schweizer Senioren aber an der Lüneburger Hotelrezeption standen, hätten sie festgestellt, dass für sie gar nichts gebucht worden sei.
Geschichten wie diese kann die Unternehmerin viele berichten. Sie hat versucht, ihr Geld auf dem Rechtsweg einzuklagen. Doch das ist nicht so einfach, denn Tom hat mittlerweile Privatinsolvenz angemeldet. Auf der Gläubigerliste steht die Händlerin weit hinten. Auf dem aussichtslosen Platz 125.
Gericht verurteil DJ als wegen „gewerbsmäßigem Betrug“
Vor dem Lüneburger Amtsgericht wird vor wenigen Tagen ein Urteil gesprochen. Im dritten Anlauf und in Abwesenheit des Angeklagten. DJ Tom hat kurz vorher doch noch einen Strafbefehl akzeptiert. Er ist nun ein verurteilter Betrüger. 190 Tagessätze zu je 20 Euro muss er zahlen. Ein Kollege hatte geklagt, der eingesprungen, aber nicht bezahlt worden war. Im – noch nicht rechtskräftigen – Urteil ist nicht von einem Einzelfall, sondern von „gewerbsmäßigem Betrug“ die Rede. Auch bei der Polizei gilt der Verurteilte nicht als Einzeltäter. In seiner Akte stehen laut LP-Infos ebenfalls mehrere Betrugsverfahren.
Das sagt der DJ zu den Vorwürfen
Die LP-Redaktion hat natürlich auch den Beschuldigten mit den Vorwürfen konfrontiert. Das sagt der DJ …
- … zum Gerichtsurteil: „Das Ganze war passiert, weil ich einen DJ-Kollegen bei einem von zwei Aufträgen zu spät bezahlt habe. Der hat ein Riesenfass aufgemacht. Die Polizei dachte, man ist einer großen Sache auf der Spur, hat viele DJs angerufen, aber es blieb nur bei dem einem. Man hätte das bestimmt in dem Gerichtstermin richtigstellen können, aber ich hatte zuviel Angst vor dem, was genau jetzt passiert. Und habe einen Tag vorher den Termin abgesagt, was ein Fehler war. Ich war leider nie der Schnellste, was das Bezahlen von Rechnungen angeht.“
- … zum Aus bei „Rote Rosen“: „Im Umfeld der Roten Rosen habe ich nie Geld geliehen oder bin dort jemandem etwas schuldig. Das ist Fakt. Ich bin auch keinem Rote- Rosen-Fan etwas schuldig. Es gab mehrere gemeinsame Fantreffen, die ich gern auf Bitte organisiert habe, aber da habe ich nachweislich viel eigenes Geld und Zeit zur Unterstützung eingebracht.“
- … zu geplatzten DJ-Buchungen: „Vereinbarte DJ-Leistungen wurden in der Vergangenheit auch alle erbracht. Entweder von mir oder gleichwertigem Ersatz.“