
Ein Nationalspieler aus Lüneburg
Lüneburg. Es klingt wie ein Fußballmärchen. Vor drei Jahren bekam Leon Perera vom MTV Treubund einen Anruf aus Sri Lanka, dem Land seiner Vorfahren. Am Telefon war der damalige Trainer der Nationalmannschaft. Er lud ihn zum Trainingslager in Katar ein. Seitdem gehört Perera zum Nationalkader, hat vier Länderspiele absolviert. Nun ist er zum Lüneburger SK gewechselt. Die Lünepost sprach mit dem Nationalspieler aus Lüneburg über seine erstaunliche Karriere.
Die startete einst beim MTV Wittorf. „Da wohnten wir, der Sportplatz war um die Ecke, so kam ich zum Fußball“, erzählt der 27-Jährige. Schnell fiel sein Talent auf, er wurde zum DFB-Stützpunkttraining eingeladen, wechselte zum MTV Treubund. Dort spielte Perera bis 2023.
Dann zog es ihn ins Land seiner Vorfahren. Leons Vater war in den 90ern vor dem Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen nach Deutschland geflohen, lernte bei einer Hochzeit seine deutsche Frau kennen. 1997 wurde Leon in Winsen geboren. Staatsbürgerschaft: deutsch.
Im Vorjahr reifte der Plan: Perera und seine Verlobte Elisa Kiesecker verkauften Hab und Gut, brachen auf nach Sri Lanka. Auswandern war eine Option. Monatelang bereisten sie die tropische Insel im Indischen Ozean. Und Leon kümmerte sich intensiv um die doppelte Staatsbürgerschaft. Die brauchte er, um in Sri Lankas Nationalmannschaft spielen zu können. „Das war sehr kompliziert.“
Am Ende klappte es, sodass Perera im März und Juni dieses Jahres seine ersten Länderspiele bestreiten konnte. Bei seinem Debüt gegen Papua-Neuguinea gab es ein 0:0, danach gegen Bhutan einen 2:0-Sieg, im Juni in Brunei zwei 0:1-Niederlagen.
Erste Länderspiele für den Lüneburger
„Wir sind eine internationale Truppe mit Spielern aus Australien, Deutschland, Norwegen und Frankreich. Wir verständigen uns auf Englisch“, erzählt der Neu-Nationalspieler. Fußball spielt auf Sri Lanka (22 Mio. Einwohner) nur eine Nebenrolle. Volleyball, Cricket, Rugby – das sind die Volkssportarten. „Doch jetzt will das Land auch im Fußball vorankommen, deshalb wurden Spieler aus aller Welt, die Vorfahren in Sri Lanka haben, gecastet“, sagt Leon Perera.
Für den fußballerischen Aufstieg holte man 2022 Trainer Andy Morrison (53). Der Schotte war einst Innenverteidiger in der englischen Premier League, u. a. bei Manchester City. Er soll die Nr. 205 der FIFA-Weltrangliste nach oben bringen.
Während seines Sri-Lanka-Aufenthaltes trainierte Perera beim Hauptstadtklub FC Colombo mit. „Aber der Profifußball auf Sri Lanka steht noch am Anfang. Es gab eine lange Corona-Pause. Die erste Liga ist neu, hat zwölf Teams, die Saison dauert nur drei Monate. Auch die Rahmenbedingungen müssen wachsen“, hat Perera erlebt. So war er froh, dass er im Frühjahr bei seiner Rückkehr nach Deutschland wieder feste Strukturen beim MTV Treubund vorfand. „Ich habe ihnen aber gleich gesagt, dass ich mir in der neuen Saison einen anderen Verein suche, wo ich mich auf gutem Niveau für die Nationalmannschaft fithalten kann.“
„Den Ärger kann ich nicht verstehen“
Dass Perera dann ausgerechnet zum Erzrivalen und Klassenkonkurrenten Lüneburger SK wechselte, hat beim MTV Treubund für Verdruss gesorgt. „Wir haben erst drei Tage vorher davon erfahren“, schimpft MTV-Sprecher Wolfhard Täger. „Den Ärger kann ich nicht verstehen“, sagt Perera, „ich war in meinen Aussagen immer transparent. Und ich brauchte auch mal einen Tapetenwechsel.“ Vom neuen Klub ist der Mittelfeldspieler angetan: „Der LSK ist richtig gut aufgestellt. Wir haben einen großen Kader, jede Position ist zwei- oder sogar dreifach besetzt. Die Intensität im Training ist extrem hoch.“ Ziel? Erst zögerlich: „Wir wollen in jedem Spiel das Maximale rausholen.“ Dann auf Nachbohren doch eine Ansage: „Wir werden oben angreifen!“
Was sagt er dazu, dass es zum Saisonstart (3./4. August) mit einem Heimspiel gegen den vermeintlichen Titelkonkurrenten SV Lindwedel-Hope losgeht? „Das finde ich gut, da wissen wir gleich, wo wir stehen. Ich habe richtig Bock auf die Saison!“
Asien-Cup statt Landesliga
Ebenso fiebert Perera seinen nächsten beiden Länderspielen entgegen. Am 5. September geht es in der Vor-Quali für den Asien-Cup gegen Kambodscha, am 10. September steigt das Rückspiel in Kambodscha. Dann wird Perera dem LSK fehlen. „Das ist so mit Trainer Dennis Tornieporth abgesprochen“, sagt Perera, der wieder elf Stunden im Flieger nach Sri Lanka sitzen wird.
Er freut sich auf den Saisonstart mit dem LSK und auf seine nächsten Länderspiele: „Die Berufung in die Nationalmannschaft hat mir noch mal einen Motivationspush gegeben. Das ist eine einmalige Chance, dafür muss ich topfit sein.“
Sri-Lanka-Coach Morrison hätte zwar lieber gesehen, dass sein Nationalspieler in der Regionalliga kickt, doch beim Kollegen Tornieporth ist Perera in besten Händen. Der Ex-Profi (u. a. FC St. Pauli) ist bekennender Fitness-Fetischist. Seit Donnerstag schwitzen die LSK-Jungs im viertägigen Winsener Trainingslager unter Leitung von Drill-Sergeant „Tornie“.
Der Trainer erwartet viel von Perera: „Leon ist sportlich und menschlich ein Volltreffer. Er wird uns nochmal ein ganzes Stück besser machen. Ein Unterschiedsspieler, der Partien entscheiden kann.“ Das deutete sich in den LSK-Testspielen gegen Oberligist Paloma Hamburg (1:1) und Bezirksligist Egestorf (6:1) schon an.
Wo sieht Perera seine Stärken? „Ich bin ganz gut im Drübbling, kann den Ball halten, das Spiel verlagern und umschalten.“ Woran hapert es? „Ich muss torgefährlicher werden.“ Das Toreschießen könnte zur Not der genesene Goalgetter Malte Meyer übernehmen. Der schwärmt schon: „Leon ist eine ganz wichtige Verstärkung für uns. Ein starker Zocker!“
Viele Vorschusslorbeeren für Perera. Alles klar also? Nicht ganz. Der Abiturient und Industriekaufmann sucht noch einen Job und eine Wohnung. „Wir fangen hier bei null an.“ Denn der Plan Auswandern ist abgehakt. Das Heimweh, die Sehnsucht nach einem erträglichen Klima und geordneten Strukturen waren stärker. Leon und Elisa sind wieder da – darüber freuen sie sich nicht nur beim LSK. Nun will Leon Perera seinen Traum wahrmachen: mehr Länderspiele für Sri Lanka und Aufstieg mit dem LSK – das wäre ein doppeltes Märchen.