
Lüneburg. Seine Schreie treffen die Passanten bis ins Mark: Am ganz frühen Dienstagmorgen hat sich ein junger Falke in der Wetterfahne der St. Nicolaikirche verfangen. Seine Kralle steckt in der Konstruktion, der Vogel hängt kopfüber in luftiger Höhe. Immer wieder versucht der Falke vergeblich, sich durch Flügelschlagen zu befreien. Hilflos beobachten Passanten von der Straße aus das Drama in gut 45 Metern Höhe. Und der Falke wird von Minute zu Minute schwächer. Sein Flügelschlagen lässt nach, auch die Schreie werden leiser. Über vier Stunden kämpft er nun schon um sein Leben.
Feuerwehr und Polizei sind längst alarmiert, doch für einen Rettungseinsatz in dieser Höhe fehlt ihnen das passende Einsatzgerät. Das nächste Spezialfahrzeug von Höhenrettern ist erst bei der Feuerwehr in Hamburg stationiert.
Kranführer und Falknerin sind Helden
So werden zwei Kranführer zu Helden des Tages: Frank Peter vom Unternehmen Anker aus der Lüneburger Goseburg ist gerade auf dem Weg zu einer Baustelle in Reppenstedt, als ihn ein befreundeter Dachdecker via Handy alarmiert. Er dreht sofort um und macht sich nun vor Ort ein Bild von der Lage. Unterdessen startet Kollege Sascha Kneipp mit seinem schweren Teleskop-Kran ins Wasserviertel. Auch die von Tierfreunden alarmierte Falknerin Heike Knesebeck aus Geesthacht ist inzwischen eingetroffen. Nachdem Kranführer Peter die Stützen seines Spezialkrans sicher auf dem historischen Kopfsteinpflaster platziert hat, steigt sie zu ihm in die Gondel. Langsam schiebt sich der lange Teleskoparm des Kranwagens in die Höhe.
Gespannt beobachten Schaulustige, Polizisten, Fotografen und auch das Pastorenehepaar Almuth und Christoph Wiesenfeldt vom Boden aus den Einsatz.
Vogel kommt in Spezialpraxis
Oben angekommen, wirft die Falknerin ein Tuch auf den Kopf des Vogels. Dann hebt sie das Tier behutsam aus seiner misslichen Lage und legt es in die mitgebrachte Transportbox. Die Falle an der Wetterfahne sichert sie mit einem weiteren Tuch ab.
Wieder am Boden angekommen, stülpt Heike Knesebeck gemeinsam mit Helfern eine Lederkappe über den Kopf des Falken. Die erste Diagnose der Expertin: „Es ist wohl nur die Kralle verletzt. Wenn aber auch das Bein betroffen ist, dann könnte es schwierig werden.“ Zur genaueren Untersuchung fährt sie sofort mit dem Vogel in eine Schleswig-Holsteiner Spezialpraxis.
Bei den Passanten rund um den Kirchturm ist die Erleichterung groß, dass der Wanderfalke lebend gerettet werden konnte.
Die Anker-Kranführer Frank Peter und Sascha Kneipp packen zusammen und machen sich als Helden auf den Weg zu ihrem nächsten „normalen“ Einsatz.