
Lüneburg. Es klingt paradox, aber ausgerechnet denjenigen, die sich seit Jahren über Lärm beschweren, war es diesmal zu leise. Beim Infoabend der Stadt für die Anwohner der Lüneburger Sülzwiesen baten am Donnerstag immer wieder Teilnehmer, die Referenten mögen doch bitte lauter sprechen. 630 Anwohner hatte die Stadt zur Vorstellung der neuen Sülzwiesen-Satzung geladen, gut 50 waren der Einladung gefolgt. Es ging teilweise hoch her im Hörsaal des Klinikums und es wurde auch mal lauter. Besonders Kritiker der geplanten Verordnung verschafften sich immer wieder lautstark Gehör. Permanent fielen sie dem Ersten Stadtrat Markus Moßmann sowie den beiden Fachbereichsleitern Susanne Twesten und Jürgen Kipke ins Wort. Dabei soll die neue Satzung doch eigentlich dafür sorgen, dass Anwohner künftig rechtssicher geschützt werden.
Das ist geplant: Maximal 18 Veranstaltungen mit hoher Lärmbelästigung soll es in Zukunft noch auf der traditionellen Lüneburger Festwiese geben. Angelehnt an die Niedersächsische Freizeitrichtlinie gelten für diese sogenannten „seltenen Ereignisse“ strenge Lärmschutzregeln. An acht Veranstaltungstagen ist die Stadt Ausrichter – das sind der Frühjahrsmarkt und das Oktoberfest. Weitere acht Tage kann Campus e. V. für die Konzerte des Lüneburger Kultursommers nutzen. Dafür gab es schon im Vorjahr strenge Lärmschutzrichtlinien. Maximal 70 Dezibel dürfen im Schnitt am ersten Wohnhaus ankommen, um Punkt 22 Uhr müssen die Konzerte enden.
Wertverlust der Immobilie durch Konzertlärm?
Das sagen die Betroffenen: Im Hörsaal gab es zwei Fronten. Diejenigen, die sich durch Livemusik oder den Geräuschpegel vom Rummel massiv gestört fühlen, waren dabei in der Überzahl. Eine Hausbesitzerin berichtete, sie könne bei Soundchecks vor Konzerten nicht einmal mehr im Garten Rasen mähen. Ein anderer befürchtete einen Wertverlust seiner Immobilie durch die 18 gestatteten Termine. Ein Befürworter der Kulturveranstaltungen konterte: „Wenn in Lüneburg gar nichts mehr los ist, verliert Ihr Haus auch an Wert.“ Ein Anwohner kritisierte die mangelnde Bürgerbeteiligung und kündigte an, sich rechtliche Schritte gegen die Satzung vorzubehalten.
Das sagt die Stadt: „Wenn man das kulturelle Leben als Stadt haben will, dann geht man an die Grenze dessen, was rechtlich möglich ist“, machte Markus Moßmann deutlich. Daher gestatte man in der Satzung auch 18 „seltene Ereignisse“ und nicht nur zehn, wie von manchem Anwohner gefordert. Moßmann appelierte: „Wir müssen ein Miteinander finden.“
Das sagt der Veranstalter: Für Campus sprach Veranstaltungsleiter Max Giesler. Er beschrieb, wie schwierig es sei, unter den Vorgaben überhaupt noch attraktive Künstler nach Lüneburg zu holen. Giesler äußerte aber auch Verständnis für die Belange der Anwohner. Die erarbeitete Satzung sei ein Kompromiss, mit dem Campus leben könne. Das hätten die guten Erfahrungen aus dem Vorjahr gezeigt. Giesler versprach, auch in Zukunft mit den Anwohnern im Gespräch zu bleiben. Eine permanent besetzte Hotline während des Kultursommers sowie Freikarten für Betroffene sollen die Wogen glätten. Der Veranstaltungsleiter versprach, man bleibe bei den Kapazitäten des Kultursommers 2022. Heißt: Maximal 4000 Besucherinnen und Besucher können zu den Konzerten kommen. Auch die Größe der Veranstaltungsfläche bliebe unangetastet.
Warum nicht woanders? Der Kultursommer könne doch an den Flugplatz umziehen, schlugen mehrere Anwohner der Sülzwiesen auf der Infoveranstaltung vor. Diese Idee hatte Veranstalter Campus auch schon, jedoch: „Der Luftsportverein braucht die Fläche im Sommer für seine Mitglieder“, berichteten Giesler und Moßmann. Eine entsprechende Anfrage hätte der Verein schon vor längerer Zeit abgelehnt. Eine weitere Veranstaltungsfläche für größere Acts hat Campus nun aber vor den Toren der Stadt gefunden.
Insgesamt acht Livekonzerte
Wie geht es jetzt weiter? Die Sülzwiesen-Satzung soll bei der Stadtratssitzung am kommenden Donnerstag, 29. Juni (17 Uhr, Kulturforum Wienebüttel) verabschiedet werden. Die erste Veranstaltung nach den neuen Vorgaben wird dann das traditionelle Oktoberfest im September. Campus Lüneburg setzt dieses Jahr mit dem Kultursommer aus. Die ersten Künstler für die Konzertreihe im Sommer 2024 will der Veranstalter zum 1. Juli bekanntgeben. Insgesamt acht Livekonzerte, bzw. „seltene Ereignisse“, sind zwischen 1. und 11. August 2024 geplant. In der Woche vor diesen Konzerten soll es noch ein paar leisere Veranstaltungen geben.
Und was wird aus dem LSK? Direkt an die Sülzwiesen grenzt der Sportplatz des VfL Lüneburg. Auch von dort bekommen die Anwohner akustisch fast alles mit. Das berichteten einige bei der Infoveranstaltung. Sie verstehen nicht, dass die Stadt die Sportanlagen separat und nicht zusammen mit der Festwiese bewertet. „Wir haben nicht 18 laute Veranstaltungen, sondern 36“, klagte eine Frau. Die Rückkehr des Lüneburger SK als Untermieter des VfL bereitet nicht nur ihr Sorgen. Erster Stadtrat Moßmann zeigte sich enttäuscht, dass die Verwaltung von den Plänen des Vereins aus der Zeitung erfahren musste. Denn die Untermiete erfordere laut Pachtvertrag zwischen Hansestadt und VfL eine schriftliche Zustimmung der Verwaltung. „Wir haben die Verantwortlichen beider Vereine umgehend einbestellt“, berichtete Moßmann und ließ durchblicken, dass man vor allem gegenüber dem LSK klare Kante zeigen werde. Dröhnende Lautsprecheransagen wie zu Regionalliga-Zeiten zwischen 2017 und 2019 werde es künftig nicht mehr geben, auch keine lauten Schlachtenbummler und nächtlichen Partylärm. Details werden nun mit beiden Vereinen geklärt. Auch eine erneute Infoveranstaltung sei geplant, dann mit Sozialdezernent Florian Forster. „Wir kennen und verstehen die Sorgen der Anwohnerschaft und nehmen die Bedenken ernst“, betonte Moßmann.