
Lüneburg. Dienstagmorgen, 10.45 Uhr: Den Passanten auf dem Lüneburger Marktplatz bietet sich ein ungewöhnliches Bild: Von allen Seiten strömen Menschen mit Instrumenten und knallgelben Signalwesten auf die Fläche vor dem Rathaus. Es sind die Mitglieder des Lüneburger Symphoniker, die mit einer Kulturaktion auf sich und ihre derzeitige Situation aufmerksam machen möchten.
Auf ein Zeichen von Dirigent Alexander Eissele spielen gut 80 Musiker den „Lüneburger Klang“. Knapp eine Stunde dauert das ungewöhnliche Konzert inmitten von hunderten Zuschauern. Unter ihnen sind u. a. Lüneburgs Ex-OB Ulrich Mädge, Noch-Intendant Hajo Fouquet, Künstler Jan Balyon, der ehemalige Freundeskreis-Vorsitzende Heinz Fricke sowie die frühere Bundestagsabgeordnete Hiltrud Lotze. Auch ein TV-Kamerateam ist dabei.
„Den Musici droht Gefahr“
Warum das Ganze? Das Orchester fürchtet um seine Existenz. Denn das Theater ist finanziell fast schon traditionell nicht gut aufgestellt – und die 29 festen Mitglieder der Symphoniker sind eine besonders teure Sparte des Hauses. „Den Musici droht Gefahr“, erklärt Gerald Mertens dem Publikum. Gekleidet als Johann Sebastian Bach mit zerzaustem Haar, klagt der Geschäftsführer der Musiker-Gewerkschaft Unisono: „Die Obrigkeit tut sich schwer, die nötigen Reichstaler für das Orchester aufzubringen. Doch das Theater braucht Taler und das Orchester braucht Taler – das war schon vor 300 Jahren so“, sagt „Bach“ in Richtung von Lüneburgs Landrat Jens Böther und Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Seine Botschaft ist aber auch an die Landesregierung in Hannover adressiert. Bis zu einer Million Euro mehr pro Jahr braucht das Theater. Mögliche Einsparpotenziale untersucht seit Monaten eine Beratungsfirma.
Die Symphoniker fürchten, dass sie eingespart werden. Unter dem Motto „Orchester im Herzen des Theaters – Theater im Herzen der Stadt Lüneburg“ hatten sie schon am Wochenende gemeinsam mit der Gewerkschaft Unisono auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Die doppelseitigen Anzeigen in Lünepost und LZ zeigten Wirkung. Denn auf dem Markt verfolgen mehr Besucher das Aktionskonzert, als in die drei Säle des Lüneburger Theaters passen. Mit einer Unterschriftenaktion hoffen die Musiker aus acht Nationen nun, ein wichtiges Signal in das Rathaus und das Kreishaus senden zu können. Unter www.uni-sono.org/projekte-kampagnen/orchesterherzlueneburg läuft die Aktion noch weiter.
Symphoniker gehören nach Lüneburg
Posaunist Steffen Happel: „Ich sehe unser Orchester auch als Botschafter für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Diese wichtige Arbeit muss langfristig auskömmlich finanziert werden.“ Auch Schlagzeuger Clemens Bütje kann nicht verstehen, dass in einer der wenigen wachsenden Städte Niedersachsens die Kultur finanziell stiefmütterlich behandelt werde: „Eigentlich stehen alle Zeichen auf Aufbruch – gehen wir es an, denn am anderen Ende wartet die dröge Existenz als Hamburger Trabantenstadt“, mahnt er.
Als das Konzert am Dienstagmittag vorbei ist, brandet lautstarker Applaus auf. Ein klares Zeichen, dass die Lüneburger hinter ihren Symphonikern stehen.
Das sind Die Lüneburger Symphoniker
29 Musikerinnen und Musiker aus acht Nationen spielen im Orchester des kleinsten Drei-Sparten-Hauses Deutschlands. Die Lüneburger Symphoniker geben pro Jahr über 100 Konzerte, spielen im Rahmen der Vorstellungen im Theater, aber auch auf Bühnen in der Stadt und im gesamten Landkreis. Das Orchester wurde schon 1947 gegründet. Bis zu 2000 Besucher haben die Crossover-Konzerte des Orchesters. Und auch, wenn man als Berufsmusiker am Theater nicht reich wird, ist der Andrang enorm: Auf eine freie Stelle bewerben sich nach Angaben der Symphoniker bis zu 130 Musiker.