Landkreis. In einer Betreuungseinrichtung für Kinder und Jugendliche im Osten des Landkreises Lüneburg soll es über Jahrzehnte Fälle von sexuellem Missbrauch gegeben haben. Das berichtete jetzt der NDR.
Schon 2001 wurde ermittelt
Die Gerüchte gab es schon länger, doch jetzt hat ein Investigativ-Team des Senders neue Details an die Öffentlichkeit gebracht. Mindestens sechs Jungen zwischen sieben und 13 Jahren seien Opfer eines langjährigen Mitarbeiters der Einrichtung geworden, berichten die Reporter Johannes Koch und Carlo Eggeling. Zuletzt habe sich im Sommer vorigen Jahres ein betreutes Kind offenbart. Als mutmaßlicher Täter muss sich in Kürze der 63-jährige Rainer L. vor dem Lüneburger Landgericht verantworten. Eine Anklage gegen den Mann wurde jetzt zugelassen. „Ihm wird vorgeworfen, als Mitarbeiter einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche über 20 Jahre lang in über 100 Fällen ihm anvertraute Kinder schwer sexuell missbraucht zu haben”, sagt Christina Edinger, Sprecherin des Lüneburger Landgerichts.
Schon 2001 wurde gegen den Erzieher des Jugenddorfes ermittelt. Das belegen Teile aus der damaligen Strafanzeige, die dem Investigativteam vorliegen sollen. Die Ermittlungen seien damals aber eingestellt worden, so schildern es die Stiefmutter des damals betroffenen Jungen und die Geschäftsführung des Kinderdorfs gegenüber den Journalisten. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Lüneburg schweigt laut NDR zum Ermittlungsverfahren und verweist auf Opfer- und Persönlichkeitsschutz.
Junge vertraut sich Mitarbeiterin an
Der Beschuldigte konnte über 20 Jahre lang weiterarbeiten, man habe ihn aufgrund der Rechtslage weiterbeschäftigt und ihm „erneut das Vertrauen ausgesprochen”, wird der Geschäftsführer der Einrichtung, Andreas Olszewski, zitiert.
Lange galt der Erzieher als besonders einfühlsam, von ihm habe man etwas lernen können im Umgang mit Kindern, so der Tenor der Kolleginnen und Kollegen. Im vergangenen Jahr soll sich dann aber ein betreuter Junge einer Mitarbeiterin im Kinderdorf offenbart haben. Daraufhin sei der beschuldigte Erzieher von der Heimleitung zur Rede gestellt worden, so schildert es der Geschäftsführer. Der Mitarbeiter habe sich im Anschluss selbst angezeigt. Diese Selbstanzeige bestätigt das Landgericht Lüneburg.
Auf der Homepage des Jugenddorfes heißt es, in der Einrichtung „leben seit 1976 vorwiegend Kinder und Jugendliche, die mit traumatischen Erfahrungen zu uns gekommen sind. Ziel ist es, dem Leben dieser Kinder und Jugendlichen wieder eine geregelte Struktur zu geben und mit ihnen eine Perspektive zu entwickeln”. Treffen die Vorwürfe gegen den Mitarbeiter zu, haben mindestens sechs Jungen statt Perspektiven neue Traumata erfahren müssen.
Am Freitag, 30. Juni, soll der Prozess gegen den Erzieher vor dem Landgericht in Lüneburg beginnen. Es sind bisher drei Verhandlungstage angesetzt.
