
Wittorf. Am Moor in Wittorf. Eine kleine Straße im Dorf mit nur wenigen Nachbarn. Wer hier lebt, mag die Ruhe und Abgeschiedenheit.
Seit ein paar Tagen ist es jedoch vorbei mit der Ruhe im dörflichen Idyll. Auslöser war ein unauffälliger Zettel mit Bardowick-Wappen, der jetzt mit dem Gemeindeblatt in den Postkästen der Wittorfer landete. Auf diesem Weg lud Samtgemeindebürgermeister Heiner Luhmann die Anwohner zu einem Treffen ein, um mit ihnen über die Zukunft des seit Jahren leerstehenden Seniorenheimes in der Straße zu sprechen. Seither brodelt die Gerüchteküche.
Donnerstagabend warteten nun über 60 Anwohner im neuen „Bewicker Hus“ in Bardowick gespannt auf das, was Luhmann zu berichten hatte. Der Verwaltungschef sprach gleich Klartext – und bestätigte dabei die Vorahnungen der Wittorfer: Das ehemalige Pflegeheim wird zur Flüchtlingsunterkunft.
Luhmann berichtete vom neuen Verteilschlüssel des Landes, nach dem der Landkreis Lüneburg bis kommenden März 1536 Flüchtlinge aufnehmen müsse. 225 davon würden der Samtgemeinde Bardowick zugeteilt. „Wir stehen vor der nächsten Hochphase und es wird nicht so einfach, die Menschen auch menschengerecht unterzubringen“, sagte er in Anspielung auf die Lüneburger Lösung, bei der Geflüchtete in einem ehemaligen Möbelhaus untergebracht werden. Das Problem: Weitere Wohncontainer, wie Bardowick sie in der Wittorfer Heide bereits mit Erfolg betreibe, seien auf die Schnelle nicht zu bekommen. Daher habe sich die schon länger von der Samtgemeinde erworbene Pflegeheim-Immobilie angeboten. Schon im Dezember sollen dort bis zu 60 Geflüchtete unterkommen. Die Umbauarbeiten seien bereits im Gange.
Vor allem dieser Punkt macht viele Anwohner wütend: „Sie stellen uns vor vollendete Tatsachen in einer so engen Anwohnerstraße“, beschwerte sich zum Beispiel Alexandra Zorn. „Integration fängt doch viel weiter vorne an – man muss doch auch die Anwohner mitnehmen.“
Luhmann und die zuständige Fachbereichsleiterin Anja Kablau äußerten Verständnis für den Frust der Nachbarn. Sie machten aber auch deutlich, dass ihnen nicht viel Zeit bleibe. „Wir müssen bis Dezember Platz für 100 Menschen in der Samtgemeinde schaffen.“
Vorbehalte gegenüber den Neuankömmlingen versuchte Anja Kablau zu nehmen. Bardowick sei gut aufgestellt in der Flüchtlingsbetreuung, man habe schon seit 2012 ein Team, das sich um die Unterbringung und die Betreuung der Menschen kümmere. Das Konzept wolle man auch am neuen Standort anwenden: „In der Wittorfer Heide funktioniert das reibungslos.“ Man habe kaum Probleme mit Geflüchteten, keine Polizeieinsätze. Das Raunen im Publikum signalisierte jedoch etwas anderes.
„Wir wissen nicht, ob wir die Chance bekommen, das Pflegeheim ausgewogen zu belegen“, musste Samtgemeindebürgermeister Luhmann eingestehen. Schließlich lebten aktuell in der Notaufnahme in Sumte Geflüchtete aus 30 Nationen, die verteilt werden müssten. Und: „Nicht jede Nation versteht sich mit der anderen Nation.“ Dennoch wolle man am neuen Standort auf einen Sicherheitsdienst verzichten. „Damit würden wir von vorneherein eine potentielle Auseinandersetzung unterstellen.“
Maximal zwei Jahre soll das recht heruntergewirtschaftete Heim als Heim für Geflüchtete dienen. Luhmann: „Dann ist das Gebäude durch.“ Bis die Ersten einziehen, werde man noch strenge Brandschutzauflagen erfüllen, die Küche und die Zimmer im Erdgeschoss soweit herrichten, dass die neuen Bewohner ein einigermaßen akzeptables Heim bekämen. „Die Unterbringung ist aber in keiner Weise vergleichbar mit unseren Wohnstandards“, machte Sozialamtschefin Kablau klar.
Viel Verständnis bei den Anwohnern erntete sie damit nicht. Einige kündigten noch am Abend an, wegzuziehen.