
Landkreis. Dass dieser Artikel gelesen wird, ist nicht selbstverständlich. Denn in Deutschland gibt es laut einer aktuellen Studie der Uni Hamburg 6,2 Millionen Menschen, die gar nicht oder nicht ausreichend lesen und schreiben können. In Lüneburg betrifft dies heruntergerechnet rund 22.500 Menschen – das bedeutet für den Landkreis mit seinen über 180.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, dass jeder achte betroffen ist.
Dabei wird zwischen drei Arten von Analphabetismus unterschieden: Primärer Analphabetismus liegt vor, wenn jemand nie das Lesen oder Schreiben gelernt hat. Sekundärer Analphabetismus heißt, dass das einmal Erlernte wieder vergessen wurde. Und funktionaler Analphabetismus bedeutet, dass die Kenntnisse niedriger sind, als im Alltag erforderlich. Die Betroffenen können zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben, aber keine zusammenhängenden Texte, auch wenn diese kurz sind.
Bereits seit 2004 gibt es auf Initiative der Stiftung Lesen gemeinsam mit der Deutsche Bahn Stiftung und der Wochenzeitung „Die Zeit“ den bundesweiten Vorlesetag. Er findet in diesem Jahr am Freitag, 17. November, statt und soll das Thema Lesen in der Öffentlichkeit sichtbar machen. „Der Vorlesetag sensibilisiert dafür, wie wichtig Lesen für eine gesellschaftliche Partizipation ist“, sagt Christiane Finner, Geschäftsführerin der Volkshochschule (Vhs) Region Lüneburg, die sich am Aktionstag beteiligt. Sie weiß: „Dabei geht es nicht nur um Kinder. Viele Erwachsene können in Deutschland nicht ausreichend schreiben und lesen.“
Zum Lesenlernen ist es nie zu spät
Die Vhs bietet mit einem Team aus 25 Dozentinnen und Dozenten aktuell 61 Kurse an und unterstützt 200 Teilnehmer. „Dazu gehören unter anderem klassische Kursangebote zum Lesen, Schreiben, Rechnen für Erwachsene und digitale Grundbildungsangebote“, sagt Christiane Finner. „Der Zugang zum Lesen wird in Lüneburg auf vielerlei Wegen gefördert und niedrigschwellig angeboten.“ So zum Beispiel in den Lerncafés in Kaltenmoor und Brietlingen. Den „Geschichtenzauber für 4- bis 6-Jährige“ zur Leseförderung gibt es in der Zweigstelle der Ratsbücherei in Kaltenmoor, er wird auch zweisprachig angeboten. Der „Vhs-Lerntreff“ im Quartier bietet zudem mit fünf Angeboten in der Woche im Awo-Familienzentrum „Lotte Lemke“ Möglichkeiten zur Leseförderung. Diese und viele weitere Angebote werden über das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur finanziert.
Dass nicht richtig lesen und schreiben können jeden Tag Auswirkungen auf das Leben Betroffener hat, bestätigt z. B. eine medizinische Angestellte einer großen HNO-Gemeinschaftspraxis in Lüneburg: „Auch bei uns in der Praxis stellen wir immer wieder fest, dass Patienten, die beispielsweise die medizinischen Formulare oder Datenschutzerklärungen nicht lesen und unterschreiben können“, berichtet sie. Und das ist nur eines von vielen Beispielen aus dem Alltag.
Der Vorlesetag am kommenden Freitagsoll daran etwas ändern. Denn: „Fürs Lesenlernen ist es nie zu spät“, versichert Daliah Gaschler vom Bereich Grundbildung der Vhs in Lüneburg.