
Lüneburg. Es gibt Geschichten, da sagen Bilder wirklich mehr als Worte. Und Lüneburg schreibt gerade eine dieser Geschichten. Denn das Elend, das hier immer öffentlicher herrscht, ist nicht zu übersehen. Die auf dieser Seite gezeigten Fotos bilden zumindest einen Bruchteil dessen ab, was gerade in der Innenstadt abgeht.
Die neuen Sitzgelegenheiten am Sande, die Haltestellen und die Eingänge des Medienhauses sind schon vormittags Anlaufpunkt der Drogenszene. Wenige Meter weiter scheint in der Straße Am Berge der Drogenhandel zu florieren. Bereits mehrfach hat die Polizei eine verdächtige Spielhalle gestürmt.
Geändert hat es nichts, im Gegenteil: Der Konsum wird heftiger. In einem Durchgang raucht ein junger Mann Crack. Heruntergekommene, teilweise halbnackte Menschen irren durch die City. Sie betteln, streiten, pöbeln, verrichten ihre Notdurft oder dämmern vor sich hin.
In der Stadt wächst das Elend. Und die Polizei scheint machtlos: „Das ist das Ergebnis der städtischen Sozialpolitik“, sagt ein Beamter, der gerade mal wieder zu einem Einsatz auf den Sande gerufen wurde. Denn zuständig seien eigentlich das Ordnungsamt oder die Streetworker.
„Wir haben zum Glück keine Hamburger Verhältnisse“
Gespräche über die „Klientel“ gebe es regelmäßig mit der Stadt und den Sozialarbeitern der Diakonie, berichtet Polizeisprecher Kai Richter. Er sieht kein neues, sondern eher ein saisonales Problem: „Das Thema haben wir jedes Jahr, wenn es wärmer wird.“ Aber auch er hat festgestellt: „Früher waren es Einzelfälle, die zum Beispiel Crack konsumiert haben. Heute haben wir da einige Intensivtäter, bei denen wir Crack-Konsum vermuten. Aber wir haben zum Glück keine Hamburger Verhältnisse“, sagt Richter mit Blick auf die Situation im dortigen Bahnhofsumfeld.
In Lüneburg kommen zur Drogenszene viele Wohnungslose und psychisch Kranke, oft aus dem PKL-Umfeld. Meist hat es diese aus anderen Städten nach Lüneburg verschlagen. „Viele haben die Stadt bei ihrem Aufenthalt im Klinikum liebgewonnen und möchten bleiben“, weiß der Polizeisprecher. Doch es gibt ein Problem: „Es ist schwierig, diese Menschen alle untergebracht zu bekommen.“
Viele landen in der einmal für Geflüchtete gebauten Notunterkunft in Rettmer. Zum Leidwesen der Anwohner und Händler, denn von Streit und Ladendiebstählen wird in den Polizeimeldungen regelmäßig berichtet. Sozialdezernent Florian Forster sagt: „Wir verfolgen weiterhin das Konzept einer dezentralisierten Unterbringung. Eine temporäre punktuelle Verdichtung, wie aktuell in der Unterkunft in Rettmer, lässt sich allerdings nicht immer vermeiden.“ Denn: „Grundsätzlich steht die Hansestadt vor der Herausforderung, derzeit mehr als 1000 Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten.“
Den Bedürftigen eine Unterbringung zu besorgen, damit ist es nicht getan. Denn oft sind es keine einfachen Charaktere, die aus dem gesellschaftlichen Netz gefallen sind und die Betreuung brauchen. Das ist mit aktuell zwei in Teilzeit arbeitenden Streetworkern schwer bis unmöglich. „Eine Ausweitung wird bereits vorbereitet“, berichtet der Sozialdezernent. „Die Hansestadt ist hier in Abstimmung mit dem Lebensraum Diakonie, um die aufsuchende Sozialarbeit zu stärken. Zudem liegt ein Konzept für ein Szenecafé vor, für dessen Umsetzung bislang die passende Immobilie fehlt.“ Es wird also noch dauern, bis die Szene einen stadtnahen Anlaufpunkt bekommt.
„Eigentlich ist unsere Stadt ein schöner Ort“, sagt eine Anwohnerin, „aber was hier inzwischen abgeht, das sprengt mittlerweile alles. Die Polizei kommt schon gar nicht mehr her, wenn ich um Hilfe bitte, verweist mich ans Ordnungsamt. Die kommen dann, machen sich kurz ein Bild und das war‘s dann.“
Als die Lünepost-Fotografin gerade Bilder eines halbnackten, offensichtlich unter Drogen stehenden Mannes für diesen Text macht, wird sie von einem Passanten angesprochen. Er schimpft: „Neue Radwege entstehen, die Hotels sind ausgebucht, alles soll grüner werden. Aber in der Drogenpolitik hat die Stadt komplett versagt.“