
Lüneburg. In Dresden wird der Europapolitiker Matthias Ecke (SPD) beim Aufhängen von Wahlplakaten attackiert und verletzt. Wenige Tage später werden Wahlhelfer der Grünen ebenfalls in Dresden vor laufender Kamera bedroht und angespuckt. Und in einer Berliner Bibliothek verletzt ein Mann die Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), als er ihr einen Turnbeutel in den Nacken schlägt. Diese drei Vorfälle sind nur die Spitze dessen, was Wahlhelferinnen und Wahlhelfer im Vorfeld der Europawahl überall in Deutschland erleben.
Plakatierer werden beleidigt
Dass der Respekt vor dem ehrenamtlichen Engagement und die Hemmschwellen massiv gesunken sind, das bekommen auch die Lüneburger Wahlhelferinnen und Wahlhelfer zu spüren. „Unsere Leute werden immer öfter beschimpft und bedroht“, berichtet Jakob Blankenburg, der für die SPD im Bundestag sitzt und Vorsitzender des Unterbezirks Lüneburg der Partei ist.
Was der 26-Jährigen verstärkt feststellt: „Es ist im Vergleich zu den Jahren davor schon deutlich systematischer. Wir plakatieren seit drei Wochen und jede Woche müssen die in der Stadt quasi komplett neu aufgehängt werden – da kann man die Leute nur noch schwer motivieren.“
Dazu kommt: „Die ehrenamtlichen Mitglieder werden mittlerweile auch beim Plakatieren massiv beleidigt“, berichtet Blankenburg. „Ich war die letzten Tage mit auf der Straße und habe mir einiges anhören müssen. Man braucht nur mit einem Plakat durch die Stadt gehen und man bekommt direkt Beleidigungen und Pöbeleien an den Kopf geworfen.“ Mittlerweile seien die Plakatierer nur noch in Teams unterwegs.
Infostände in der Bäckerstraße laden ein für Gespräch
„Es geht gegen Olaf Scholz“, ist dem Bundestagsabgeordneten klar, „aber diejenigen, die man hauptsächlich mit der Kritik trifft, das sind die ehrenamtlichen Mitglieder.“
Statt die Plakatierer anzugehen, sollten Kritikerinnen und Kritiker das Gespräch suchen, lädt Blankenburg ein. „Wir bieten mindestens einmal wöchentlich unsere Infostände in der Bäckerstraße an und haben die letzten zwei Wochen zu vielen Veranstaltungen eingeladen. Anstatt, dass solche Angebot wahrgenommen werden, dass man auf einer sachlichen Ebene diskutiert, geht‘s halt vor allen Dingen um das Zerstörerische.“
Luca Thieme gehört zu den betroffenen Plakatierern. „Mittlerweile ist schon über ein Drittel der Plakate zerstört. Gerade die Innenstadt ist stark betroffen. Da hatten wir gerade alles ausgetauscht und ein paar Tage später war schon wieder alles beschmiert und zerstört.“ Thieme: „In der Grapengießerstraße war ein ganzer Straßenzug mit Hitlerbärtchen auf Olaf Scholz versehen.“ Er vermutet: „Man merkt, dass das von Rechts kommt.“ Wenn Luca Thieme mit Plakaten und Kabelbindern im Einsatz ist, dann bekomme er immer wieder Sprüche zu hören: „‚Ihr Pack!‘, ‚Kriegstreiber‘, ‚Verpisst euch‘ oder ‚Nur die AfD‘“, nennt er Beispiele.
SPD führt Plakat-Melder ein
„Das ist frustrierend“, bestätigt Thiemes Kollegin Merle Sandkühler. „Wir würden ja eigentlich auch gerne andere Sachen machen für die Mitglieder und die Stadt. Aber wir kennen aktuell nur ein Thema: Wo sind Plakate kaputt? Und wie kriegen wir das jetzt wieder hin?“
Jakob Blankenburg: „Es ist ja nicht nur etwas, das uns nervt. Auch für die Menschen in der Stadt ist das nicht schön anzusehen, wenn überall verunstaltete Plakate rumfliegen.“ Um schnell zu reagieren, hat die SPD den Plakat-Melder eingerichtet: Schäden können ab sofort auf www.spd-lueneburg.de/vandalismus-melder gemeldet werden.
Alle Parteien sind betroffen:
Vandalismus und Pöbeleien treffen nicht nur die SPD als Partei von Kanzler Olaf Scholz. In einem Bericht der Landeszeitung schilderten diese Woche Vertreter aller Parteien ähnliche Erfahrungen. Mitglieder aus dem Wahlkampfteam der Lüneburger Grünen seien demnach beim Plakatieren geschubst worden. Die CDU hat genauso mit einer steigenden Fallzahl von Vandalismus zu kämpfen, wie die AfD. Und auch die FDP beklagt in dem Artikel eine steigende Aggresivität in Teilen der Bevölkerung. Auf Initiative der Liberalen soll nun ein gemeinsames Plakat von SPD, CDU, Grünen und FDP entstehen. Slogan: „Wir stehen gemeinsam für Europa!“