
Lüneburg. „Genial oder gaga?“ hatte die Lünepost gefragt, als eine Initiative Anfang Mai die Idee einer Straßenbahn für Lüneburg vorstellte. Während Stadtverwaltung und Landkreis eher skeptisch auf die Pläne reagierten, steht für den renommierten Stadtplaner Prof. Dr. Heiner Monheim fest: „Das ist kein Wolkenkuckucksheim.“
Vor rund 80 Zuhörerinnen und Zuhörern stellte der Experte, der u. a. ein Jahrzehnt lang den Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen geplant hat, aktuelle Straßenbahnkonzepte vor. Der schienengebundene ÖPNV, so Monheim, erlebe gerade eine Renaissance. Vor allem in Frankreich und Spanien, aber auch in einigen Städten in Deutschland fährt die gute alte Straßenbahn gerade wieder runter vom Abstellgleis.
Das sei auch in Lüneburg denkbar. Moderne Niederflurfahrzeuge fahren mit Akkus, brauchen in Innenstädten keine Hochleitung. Schienen werden im bestehenden Verkehrsraum verlegt, teilen diesen mit Fußgängern, Radfahrern und zur Not auch mit dem Autoverkehr. Sogar begrünte Schienentrassen in den Randgebieten und Strecken in historischen Innenstädten sind möglich, wie Monheim mit Beispielbildern aus Grenoble, Straßburg und Freiburg zeigte.
Das kostet jeder Kilometer Schiene
Das von einer Mobilitätsinitiative der Leuphana entworfene Schienennetz mit drei Linien einer „Lünebahn“ hat für den Professor „Hand und Fuß“. Er empfahl den Ideengebern aber, sich zunächst auf eine Trasse zu konzentrieren. Dabei sollte von Beginn an die Einbindung bestehender Schienenstrecken bedacht werden: „Als erstes müssen Sie sich daher für eine kompatible Spurbreite entscheiden“, gab er der Initiative mit auf den Weg. der Überlandverkehr mit Bussen gehöre ebenfalls eingeplant. Auch zu den Kosten nahm der Experte Stellung: Strecken kosten seiner Erfahrtung nach pro Kilometer zwischen einer Million Euro außerorts und bis zu drei Millionen innerorts. Kleine Bahnen liegen pro Stück bei etwa 1,5 Millionen. Bei der Finanzierung könne man aber lokale Wirtschaftsgrößen mit ins Boot holen, riet Monheim. Das habe in anderen Städten gut funktioniert.

Erste Schritte auf dem Weg in den Nahverkehrsplan seien eine gute Lobbyarbeit mit professionellem Infomaterial, Wanderausstellungen und einer möglichst mit offiziellem Prüfauftrag versehene Konzeptstudie. Monheim regte an, sich mit der Initiative aus Bremerhaven zu vernetzen, die bereits einige Schritte weiter ist. Dort fördert sogar die Stadt die Straßenbahn-Vision.
Kein Stadtvertreter wollte sich outen
In Lüneburg sieht es da anders aus: Als Monheim fragte, ob eine Vertreterin oder ein Vertreter der Stadtverwaltung zugegen sei, meldete sich niemand. Einige wenige Stadtratsmitglieder der Grünen, Finn van den Berg (FDP) aus dem Kreistag, der Mobilitätsbeauftragte des Landkreises Tobias Winkelmann und Lüneburgs „Verkehrspapst“ Prof. Dr. Peter Pez verfolgten den Vortrag. Auf Anfrage der Redaktion teilte ein Rathaussprecher am Tag danach mit: „Selbstverständlich war die Hansestadt mit einer Kollegin aus dem Bereich Mobilität vertreten.“ Man verfolge die Arbeit der „Lünebahn-Gruppe“ aufmerksam. Gespräche führe man jedoch nicht mit ihr. Zuständig sei der Landkreis als ÖPNV-Träger – und mit dem befinde man sich als Stadt „in einem kooperativen und kontinuierlichen Austausch“.
Die Mobilitätsinitiative lässt sich von der städtischen Zurückhaltung nicht stoppen, wie Sprecher Moritz Benedix nach der Veranstaltung sagte: „Der Abend hat gezeigt, dass es in Lüneburg eine große Bereitschaft für eineVerkehrswende hin zu mehr Nachhaltigkeit gibt. Professor Monheims Vortrag hat uns wichtige Denkanstöße geliefert und die anschließende Diskussion hat deutlich gemacht, dass es nun an uns allen liegt, die nächsten Schritte zu gehen.“