
Lüneburg. Es scheint ein wenig Bewegung in die vertrackte Situation der Erbbauzinsen zu kommen, von der immerhin rund 10.000 Menschen im Lüneburger Stadtgebiet betroffen sind. Sie haben von der Hansestadt, der Klosterkammer Hannover, kirchlichen Stiftungen oder anderen Erbbaugebern Grundstücke gepachtet. Das Problem: Der Erbbauzins für das Grundstück richtet sich nach den Bodenrichtwerten und die sind in den vergangenen zwölf Jahren in Lüneburg exorbitant gestiegen. In der Tat liegen die Steigerungen aktuell teilweise bei bis 1700 Prozent. Die Stadt nimmt derzeit 4 Prozent, die Klosterkammer 5 Prozent.
„Viele Städte haben das Problem der hohen Erbbauzinsen, aber nirgendwo brennt es so wie in Lüneburg, nirgendwo ist es so krass wie hier. Lüneburg ist ein bundesweiter Hotspot“, macht Werner Lichtenberg deutlich. Der Staatssekretär a. D. und ehemalige Regierungsinspektor sprach diese Woche bei der Veranstaltung der Bürgerinitiative (BI) „Bezahlbarer Wohnraum im Erbbau Lüneburg“. Sie hat ein Lösungsmodell entwickelt und es im Kulturforum mehr als 250 Interessierten vorgestellt.
Arbeitsgruppe hat Lösungsmodell erarbeitet
„Das wird eine Win-win-Situation“, sagt Annegret Kühne von der BI. Wie berichtet, besteht die Lösung aus vier Bausteinen: Bereinigung der Bodenrichtwerte, Herabsetzung des Erbbauzinssatzes auf 1,5 Prozent, Abschläge für bauliche Wertminderungen, zum Beispiel für Häuser, die im Senkungsgebiet liegen, sowie Prüfung von Sozial- und Härtefallkriterien.
Die BI hat in den vergangenen Monaten nicht nur das Gespräch mit dem Land gesucht, sondern auch mit den Fraktionen im Stadtrat gesprochen. Dort hat sich im Mai eine interfraktionelle Arbeitsgruppe gebildet, die nun ebenfalls ein Lösungsmodell erarbeitet hat. Zur Arbeitsgruppe gehören Vertreter von Grünen, SPD, CDU und FDP.
Das Modell wurde im Kulturforum zum ersten Mal vorgestellt. „Es ist ein Entwurf, der noch in Ausschüssen und im Rat diskutiert werden muss“, betonte Friedhelm Feldhaus (Grüne). „Unser Lösungsmodell sieht unter anderem Folgendes vor: Der Erbbauzins von der Stadt wird von 4 auf auf 3,5 Prozent gesenkt. Es gibt Abschläge von 1 Prozent für Familien mit Kindern, die Kindergeld beziehen. Es gibt Abschläge von 1 Prozent für Senioren. Weitere Abschläge von 0,5 Prozent gibt es für diejenigen, die im eigenen Haus Wohnraum schaffen, in Form von Einliegerwohnungen oder die Etagen zur Verfügung stellen. Wer sozialen Wohnraum schafft, wie etwa Lüwobau oder die Wohnungsgenossenschaft Lüneburg, bekommt Abschläge von 1,5 Prozent.“
2,7 Prozent im Durchschnitt
Damit käme man fast auf den bundesdurchschnittlichen Erbbauzins von 2,7 Prozent. Abschläge bei baulichen Wertminderungen, etwa im Senkungsgebiet, gebe es bereits. Feldhaus erinnerte zudem an den Lastenzuschuss: „Ähnlich wie Mieter Wohngeld beantragen können, gibt es für Eigentümer von selbst genutztem Wohneigentum den sogenannten Lastenzuschuss.“
Die BI hatte auch die Klosterkammer, Niedersachsens älteste Landesbehörde, um eine Reaktion gebeten. Die hat inzwischen reagiert. Diese Nachricht überbrachte Frank Henning, baupolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, der ebenfalls auf dem Podium saß. „Das Thema ist bei der Klosterkammer angekommen“, versicherte er.
Henning: „Die Klosterkammer hat signalisiert, dass sie von ihrer Seite ein Lösungsmodell noch im November vorstellt, das dann auf Landesebene diskutiert wird.“ Das Land selbst sei kein Erbpachtgeber. „Deswegen haben wir unseren Finanzminister auf unserer Seite, dem entgehen dadurch auch keine Einnahmen“.
Lüneburg als Vorbild für andere Städte
Henning weiß, dass auch andere Städte in Niedersachsen mit gestiegenen Erbbauzinsen kämpfen. „Ein großes Lob an die interfraktionelle Arbeitsgruppe, die bereits ein Modell erarbeitet hat. Die ist damit weiter als wir im Land.“ Er betonte außerdem: „Das, was von Seiten der BI und der Arbeitsgruppe entwickelt wird, kann als Blaupause für andere Städte verwendet werden.“
Ex-Staatssekretär Lichtenberg zog für das von der Stadt entwickelte Modell ein erstes, kurzes Fazit: „Da ist noch Luft nach unten.“ Er betonte außerdem: „Es gilt für die öffentliche Hand der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, also eine angemessene Vertragsgestaltung. Wucher und Willkür sind hier falsch.“ Außerdem äußerte er sein Bedauern, dass kein Vertreter der Stadtverwaltung zur Veranstaltung gekommen war.
Stadtkämmerer Matthias Rink kennt das Lüneburger Modell bereits. Er ist überzeugt: „Politik und Verwaltung haben ein Erbbau-Modell entwickelt, das gemeinwohlorientiert ist und gleichzeitig das Individualwohl nicht aus den Augen verliert. Das Ergebnis ist zutiefst solidarisch“.
Die BI kommentierte an dem Abend das vorgeschlagene Modell nicht: „Wir werden uns das Lösungsmodell der interfraktionellen Arbeitsgruppe genau anschauen und dann darauf reagieren“, sagte Matthias Fricke.
Beraten wird das Modell im Finanzausschuss (21. November) sowie im Verwaltungsausschuss (26. November). Eine Entscheidung trifft dann der Lüneburger Rat am 28. November.