
Lüneburg. Der Schock kam schon vor der Auslosung: „Ich habe gerade erfahren, dass sich Friedrichshafen aus der Champions League zurückzieht“, sagte Andreas Bahlburg, Manager der SVG Lüneburg, der Lünepost am Mittwochmorgen, „eine Hiobsbotschaft – das ist so, als wenn sich die Fußballer von Bayern München aus der Champions League zurückziehen würden.“ Da befürchtete der Chef von Lüneburgs Bundesliga-Volleyballern noch, dass es durch den Rückzug zum innerdeutschen Duell Lüneburg gegen Berlin kommen könnte. Doch nach der Auslosung gab es Entwarnung. Die SVG spielt in der Gruppenphase gegen den polnischen Meister Jastrzebski Wegiel und den zehnfachen tschechischen Meister Ceske Budejovice (Budweis). Der dritte Gegner in der Vierergruppe wird erst noch in der Qualifikation ermittelt.
„Es hätte schlimmer kommen können, wenigstens sind wir den italienischen Topklubs aus dem Weg gegangen, und wir haben nicht so strapaziöse Wege wie die 1600 Kilometer nach Montenegro zuletzt im CEV-Cup“, war Bahlburg erleichtert. Jetzt freut er sich schon: „Ab November können wir mit Wegiel den Meister der polnischen Topliga und Vorjahresfinalisten der Champions League in Lüneburg präsentieren.“ Nach Jastrzebski bei Kattowitz sind es 840 Kilometer, nach Budweis 715 Kilometer. Das ist überschaubar, auch von den Kosten.
Wegen zu hoher Kosten hat sich VfB Friedrichshafen im letzten Moment aus der Champions League zurückgezogen. Bahlburg kennt die Gründe: „Der VfB hat eine zu kleine Halle für 1000 Zuschauer, ist deshalb schon in der vorigen Champions-League-Saison nach Ulm umgezogen. Doch das ist 180 Kilometer entfernt, da haben viele Fans nicht mitgemacht. So hat der Verein ein Defizit eingefahren. Jetzt haben sie keine Ausnahmegenehmigung für ihre Halle am Bodensee bekommen, und die Anmietung einer Fremdhalle wäre zu teuer.“ Deshalb der Ausstieg. „Das ist ganz bitter für den deutschen Volleyball“, bedauert Bahlburg.
In Lüneburg ist die Champions League gesichert. Auch dank der LKH-Arena mit 3250 Plätzen. Aber Stratege Bahlburg hat auch alternativ vorgesorgt: „Wir haben in unseren Sponsorenverträgen Extra-Prämien vereinbart, wenn wir in die Champions League kommen.“ Das verschafft Sicherheit, denn allein mit Eintrittsgeld (15 Euro im Schnitt) rechnet sich das Abenteuer Champions League nicht. „Wir müssen gleich mal ein fünfstelliges Startgeld an den Verband überweisen, das wir dann Spiel für Spiel wiederbekommen.“ Dazu Reise- und Unterbringungskosten plus der enorme finanzielle Aufwand bei Heimspielen. Bahlburg will keine Zahlen nennen, sagt nur: „Früher in der Gellersenhalle blieben die Einnahmen der 800 Zuschauer bei uns, weil die Samtgemeinde keine Hallengebühr verlangte. Jetzt gibt es bestimmte Konditionen.“ Und mit der Hallenmiete ist es nicht getan. Allein für den Aufbau am Vortag werden 20 Helfer benötigt. Am Spieltag sind 30 Personen im Einsatz, beim Abbau 25. „Zu 80 Prozent sind das Ehrenamtliche, die sich aus einem Pool von 65 Personen rekrutieren“, freut sich Bahlburg. Aber es sind eben auch Minijobber und Hauptamtliche im Einsatz, die bezahlt werden müssen. Die SVG beschäftigt mittlerweile 30 Hauptamtliche, dazu gehören zwölf Spieler, Trainerstab, Geschäftsführer, Verwaltung, Buchhaltung und Vertrieb. „2014 waren wir noch eine One-Man-Show, jetzt sind wir ein gefestigtes Unternehmen“, sagt Macher Bahlburg nicht ohne Stolz.
Die SVG lockte in der Vorsaison im Schnitt 2200 Fans in die Arena, nur in Berlin kommen mehr. Kann der Verein da nicht schon höher ins Regal greifen und Topspieler verpflichten? „Soweit sind wir noch nicht“, sagt Bahlburg, „Berlin zum Beispiel hat pro Saison einen siebenstelligen Betrag mehr zur Verfügung als wir. Die Etats in der Bundesliga liegen zwischen 450.000 und 2,1 Millionen Euro.“
Dabei sind die Gehälter von Bundesliga-Volleyballern fast lächerlich gegenüber Fußballprofis. „Die Volleyballer verdienen im Schnitt 1500 Euro im Monat – brutto. Manche 2500, internationale Topspieler mehr. Dazu helfen Sponsoren mit Zimmer in der Wohngemeinschaft und Auto im Sharing. Mehr ist nicht drin. Alle studieren nebenbei oder haben Minijobs.“ Pech für die Lüneburger: Anders als im Fußball gibt es beim Volleyball meist nur Einjahresverträge und deshalb keine Ablösesummen bei Vereinswechsel. Also geht die SVG leer aus, wenn sie mal wieder ein Talent zu einem begehrten Bundesligaspieler geformt hat. Dass Bahlburg und Trainer Stefan Hübner es trotzdem immer wieder schaffen, in der Bundesligaspitze mitzuspielen und jetzt sogar in der Champions League, ist umso bemerkenswerter. Zuletzt kann Bahlburg noch einen Neuzugang vermelden: „Unser Stadionsprecher Dirk Böge wird seine Arbeit beim NDR reduzieren und verstärkt bei der SVG einsteigen.“ Ein weiterer Schritt zur Professionalisierung bei Lüneburgs Vorzeigeverein.