
Lüneburg. Der Grüne im gelben Postauto – so kannten viele Andreas Meihsies. Am kommenden Dienstag hat der 63-Jährige seinen letzten Arbeitstag bei der Deutschen Post, dann wird der langjährige Politiker und Postler zum Pensionär.
Als Post-Jungbote stieg er 1975 ein, wechselte 1978 nach Adendorf. „Seitdem war ich Springer, habe Vertretung gemacht – in Bardowick, Barum, Scharnebeck, St. Dionys, Reppenstedt, Mechtersen, Vögelsen, Adendorf und Lüneburg“, erzählt Meihsies, „ich wollte das so, damit ich Abwechslung habe.“ Noch mehr Abwechslung kam 1983, als Meihsies bei den Grünen eintrat. Er blieb bis zu seinem zornigen Abschied im Jahr 2016, aber dazu kommen wir später.
„Gehen Sie zurück zu Ihren Briefmarken“
Zunächst machte der leidenschaftliche Umweltschützer schnell Karriere in der Politik. „1983 wurde ich jüngstes Mitglied im Rat der Stadt“, erinnert er sich an harte Anfänge. Nicht jedem gefiel der freche Neuling im Rat. Ex-Oberbürgermeister Jens Schreiber (CDU) blaffte ihn mal in einer Sitzung an: „Gehen Sie zurück zu Ihren Briefmarken!“ Doch Meihsies blieb und liefert sich auch mit Schreibers Nachfolger Ulrich Mädge (SPD) knackige Wortgefechte. Oft war der junge Grüne der Einzige im Rat, der dem machtbewussten Mädge unerschrocken die Stirn bot.
Die Partei honorierte das, machte Meihsies zum Fraktionsvorsitzenden. Er blieb es 30 Jahre, führte Lüneburgs Grüne zu Triumphen bei Kommunal- und Landtagswahlen. „Hinter Hannover und Göttingen hatten wir die besten Ergebnisse in Niedersachsen“, erinnert er sich an seine Glanzzeit, in der die Grünen-Fraktion von vier auf zwölf Sitze wuchs. Im Jahr 2003 der nächste Karrieresprung: Meihsies zog als Abgeordneter in den Landtag ein.
Damit nicht genug: 2011 wurde er Bürgermeister von Lüneburg und damit Stellvertreter seines „besten Feindes“ Mädge. Ein Amt, das er mit sichtlichem Vergnügen ausübte. Doch es gab im Leben des Andreas Meihsies nicht nur politische Triumphe. Bitter, als ihm 2008 nach fünf Jahren im Landtag eine weitere Amtszeit verwehrt wurde. Seine Partei, die ihm viel zu verdanken hatte, stürzte ihn vom Sockel, nominierte lieber Miriam Staudte, Niedersachsens jetzige Landwirtschaftsministerin. Auch als OB-Kandidat wollten seine Grünen ihn später nicht mehr haben.
Da blieben tiefe Wunden zurück, sogar die Freundschaft mit seinem langjährigen Weggefährten Ulrich Blanck zerbrach. Meihsies kehrte den Grünen, die 33 Jahre seine Heimat gewesen waren, maßlos enttäuscht den Rücken und ging nach seinem Ausflug in die Landespolitik zurück in den Postdienst.
Übel in Erinnerung ist Meihsies, dass ein politischer Wandervogel (erst Christdemokrat, dann Grüner, jetzt Linker) aus Adendorf damals in einem Leserbrief herablassend und hämisch nachtrat: Er freue sich, dass Herr Meihsies ihm nun wieder die Post bringe. Solch schäbige Attacken bleiben haften.
Ernüchternd war für Meihsies auch die Oberbürgermeister-Wahl 2021. Er wollte es noch einmal wissen, wagte ein Comeback. Als Parteiloser. Zuversichtlich ging er in den Wahlkampf, vertraute auf seine große politische Erfahrung und die Popularität vergangener Tage. Doch das Ergebnis war ernüchternd: magere 1,6 Prozent. Da war Meihsies enttäuscht. Zu gerne hätte der leidenschaftliche Politiker wieder in der Stadtpolitik mitgemischt. Mittlerweile ist der Frust überwunden. Es bleiben die Erinnerungen an große politische Zeiten. „Höhepunkte waren auch die drei Begegnungen mit Joschka Fischer in Lüneburg. Er hat mich von allen Politikern am meisten beeindruckt.“ Warum? „Alles hat er sich selbst beigebracht – so war es bei mir auch. Joschka wurde vom Revoluzzer zum pragmatischen Außenminister.“ Auch an Lüneburg-Besuche von Claudia Roth, Jürgen Trittin, Steffi Lemke, Cem Özdemir und Renate Künast erinnert sich Meihsies gern.
Wie sieht er die Grünen heute? „In Lüneburg vermisse ich ein Konzept. Ich stelle eine große Beliebigkeit bei den Themen fest, eine unsägliche Wurschtelei in der Verkehrspolitik und fehlende Bereitschaft, klare Verantwortung in der Stadtpolitik zu übernehmen. Die Grünen in der Stadt drücken sich konsequent vor unbequemen Entscheidungen.“
„Eine unsägliche Wurschtelei“
Bautz! Da lodert noch das alte Feuer. Hat Meihsies endgültig mit der Politik abgeschlossen? Er überlegt kurz: „Man sollte nie nie sagen. Ich werde mir die Lage 2026 bei der nächsten Kommunalwahl ansehen …“
Und was macht Pensionär Meihsies bis dahin? „Viel Garten, viel kochen, viel Enkelkind, viel Italien mit meiner Partnerin.“ Das ist die ehemalige Stadtkämmerin Gabriele Lukoschek. „Gabi habe ich vor neun Jahren bei meiner politischen Arbeit im Rathaus kennengelernt“, erzählt Meihsies. So schön und nachhaltig kann Politik manchmal sein.
Mit der Politik ist es schon länger vorbei, mit dem Postdienst nächste Woche. Meihsies geht mit einem weinenden Auge: „Ich war auch immer leidenschaftlicher Postbote. Es gab viele nette Kontakte zu Kunden, viele Gespräche, schöne und traurige Momente bei Geburten oder Todesfällen. Wir haben Kochrezepte getauscht, ich habe den Leuten Olivenöl vom Gardasee mitgebracht.“ Die Kunden werden Andreas Meihsies vermissen – und er die Kunden. Seine Bilanz: „Es war eine gute Zeit.“