
„Nie wieder – das sind wir.“ Mit diesem Slogan hatte Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch gemeinsam mit vielen Institutionen und fast allen Parteien zur Kundgebung für Demokratie und mehr Menschlichkeit eingeladen. Die Veranstaltung am vorigen Samstag wurde zu einem klaren Statement gegen Rechts: Über 10.000 Menschen zogen friedlich durch die Innenstadt und trafen sich auf dem Marktplatz.
Bei Lüneburgs größter Protestveranstaltung seit Jahrzehnten war eine jedoch nicht dabei: Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Bürgermeisterin Hiltrud Lotze vertrat sie.
Das Fehlen der wichtigsten Stadtvertreterin war bei der Demo und später auch in den sozialen Medien ein vieldiskutiertes Thema. Zumal die OB selber in ihrer Instagram-Story ein Bild von der Veranstaltung gepostet hatte, das bei einigen den Eindruck erweckte, sie sei dabeigewesen.
Kalisch: „Schon langfristig geplante Einladung“
Doch warum war die Verwaltungschefin nicht bei der Kundgebung? Claudia Kalisch sagt auf Anfrage der Redaktion: „Natürlich wäre ich gern in Lüneburg gewesen. Ich hatte mir nach langer Zeit ein terminfreies Wochenende genommen und eine schon langfristig geplante Einladung nach Österreich angenommen.“ Die OB weiter: „Ich bin dankbar und glücklich, wie unsere Stadt hier ein sehr deutliches Zeichen gesetzt hat. Bürgermeisterin Hiltrud Lotze, bei der ich mich herzlich bedanke, hat mich gut vertreten.“
Doch selbst SPD-Fraktionschefin Lotze sagt: „In unserer Fraktion gibt es Verwunderung darüber, dass die Oberbürgermeisterin nicht anwesend war. So viele Lüneburgerinnen und Lüneburger wie noch nie gehen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf die Straße – und das Stadtoberhaupt fehlt?“, fragt Lotze.
CDU-Fraktionschef Wolfgang Golanczyk stand bei der Demo ebenfalls auf dem Podium. Er erntete Pfiffe, weil auch CDU-Mitglieder an dem rechtextremen Treffen in Potsdam teilnahmen, das die bundesweite Protestwelle ausgelöst hatte. Zum Kalisch-Thema sagt Goralczyk: „Die Demonstration sollte ein Zeichen für Demokratie und Menschlichkeit sein. Auch das Fehlen von Persönlichkeiten an wichtigen Terminen und Anlässen ist nicht immer zu vermeiden und durchaus menschlich. Von daher erübrigt sich jede Polemik.“
Ähnlich nimmt Grünen-Chef Ulrich Blanck Stellung: „Die Demonstration hat durch die große Zahl der Teilnehmenden ein wichtiges und deutliches Zeichen gesetzt: Lüneburg geht keinen Millimeter nach rechts! Jeder Mensch ist wichtig und bedeutet uns gleich viel. In diesem Sinne wäre Frau Kalisch, wäre sie dort gewesen, eine Person mehr; wir waren 10.000.“
FDP-Fraktionsvorsitzender Frank Soldan ergänzt: „Unterschiedliche Positionen und Vorstellungen zwischen den demokratischen Parteien, selbst Buh-Rufe von einzelnen Gruppen während der Kundgebung oder Vorwürfe, dass einzelne Personen nicht teilgenommen haben, haben keinerlei Auswirkungen auf unser gemeinsames und entschlossenes Eintreten gegen Rechtsextremismus!“