
Landkreis. Scham, Lügen, Hilflosigkeit, Erniedrigung, Manipulation – all das behandelt der Film „Die Ungehorsame“ mit Felicitas Woll und Marcus Mittermeier. Er thematisiert auf authentische Weise häusliche Gewalt in einer gut situierten Familie.
Kein Einzelfall, denn: „Jede vierte Frau in Deutschland ist Opfer von Gewalt“, weiß Katrin Holzmann, Pressesprecherin des Landkreises Lüneburg.
Jede vierte Frau in Deutschland ist Opfer von Gewalt
Vertreter von Kreis, Stadt und Kriminalpräventionsrat bilden mit weiteren Institutionen und Opferverbänden den „Runden Tisch gegen Gewalt in der Familie“. Die Mitglieder haben am Dienstag Medienvertreter aus der Region eingeladen, um für den sensiblen Umgang mit dieser Problematik zu werben. Nicht ohne Grund, denn Fälle häuslicher Gewalt steigen. „Es ist wichtig und gut, dass über das Thema gesprochen und berichtet wird, jedoch muss auch ein der Sache entsprechender sensibler Wortgebrauch stattfinden“, erklärt Eleonore Tatge vom Kinderschutzbund.
Die ehemalige Polizistin hat den Kriminalpräventionsrat (KPR) einst mit gegründet und langjährige Erfahrung mit Fällen häuslicher Gewalt. Sie weiß: „Es bringt den Frauen nichts, wenn sie sich in unsachlicher Weise in der Berichterstattung wiederfinden. Vielmehr muss auch auf die Hilfestellung verwiesen werden.“
Dabei sei es wichtig, den genauen Zeitpunkt der Hilfestellung zu wählen: „Es gibt das Rad der Gewalt: Auf die Tat – beim ersten Mal ist es eine Ohrfeige – folgt die Reuephase, dann kommt die harmonische Zeit beim Paar. Dann gibt es wieder Konflikte und Streit, bis wieder eine Gewalttat erfolgt“, erklärt Expertin Tatge. „Je häufiger sich die Spirale dreht, desto kürzer werden die Zeitabstände.“ Die betroffene Frau sei nur kurz nach der Tat für Hilfe erreichbar.
Kathrin Richter, Tatges Nachfolgerin beim KPR, fügt hinzu: „Kinder, die in Familien mit Gewalt groß werden, übernehmen häufig die Rolle der Eltern. Die Jungen nehmen sich den Vater bzw. den Aggressor als Vorbild, die Mädchen ihre Mutter bzw. das Opfer. So ist das leider regelmäßig, weil sie es nicht anders kennen.“
Das Schwierige dabei: „Studien zeigen, dass Kinder im Schnitt sieben Erwachsene ansprechen müssen, die ihnen zuhören, ihnen glauben und die dann tätig werden. Gleichzeitig wissen die betroffenen Kinder aber auch, dass sie über die Situation zu Hause nicht sprechen dürfen.“
„Im Notfall ist es richtig, die Polizei anzurufen“
Doch wo bekommen Betroffene Hilfe? „Im Notfall ist es richtig, die Polizei anzurufen“, sagt Kathrin Richter. „Wir schicken keine Frau nach Hause, ohne ihr Hilfe anzubieten und nehmen sie vor allem ernst.“ Das bestätigt ihre Kollegin Simona Kuberski vom Fachkommissariat 1 für Gewalt- und Sexualdelikte: „Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Streifendienst sind in Akutfällen die wichtigsten Ansprechpartner. Sie nehmen jeden Fall ernst und vermitteln Experten.“
So können sich betroffene Frauen zum Beispiel an Biss wenden, eine Beratungs- und Interventionsstelle für Betroffene von häuslicher Gewalt oder Stalking. „Wie bekommen Meldungen von der Polizei, wenn es zu einer Gewalttat in der Familie kam und laden die Opfer zur Beratung ein“, erklärt Nina Rickert von Biss. „Betroffene Frauen können sich aber auch sonst jederzeit bei unserem Team melden.“
Kathrin Richter und allen Mitgliedern vom runden Tisch ist es „wichtig zu zeigen, dass es zahlreiche Hilfestellen gibt für Frauen und Kinder, denen Gewalt in der Familie widerfährt.“ Denn: „Gewalt kommt in jeder Gesellschaftsschicht vor.“
Hier gibt es Hilfe:
Bei aktuer Gefahr rufen Betroffene den Notruf der Polizei unter der Telefonnummer 110.
Biss ist die Beratungs- und Interventionsstelle für Frauen, die von Gewalt und Stalking betroffen sind. Telefon: (04131) 2216044.
Stiftung Opferhilfe Niedersachsen: Hier können Opfer und deren Angehörige unabhängig von einer Anzeigenerstattung Hilfe, Beratung, Begleitung erhalten. Telefon: (04131) 7 27 19 10/ 7 27 19 11/ 7 27 19 12/ 7 27 19 13
Kinder können sich an das Kinderschutzzentrum wenden. Telefon: (04131) 2 83 97 02 oder unter www.hilfefürdich.de
Rat für Kinder und Jugendliche gibt auch die Nummer gegen Kummer. Telefon: 116 111
Allgemeine Infos unter www.gegen-gewalt-in-der-familie.de