
Lüneburg. Mit einem „ganzheitlichen Konzept zur Verkehrsberuhigung des Quartiers“ will Lüneburg die Attraktivität des Viertels rund um den Stintmarkt erhöhen. Seit Oktober 2023 gelten dort neue Regeln und eine geänderte Straßenführung. Jedoch: Während die einen die Ruhe am Stint genießen, müssen sich Autofahrer in Geduld üben, um durchs Viertel zu gelangen. Anwohnerinnen und Anwohner haben sich deshalb an die Lünepost gewandt und von ihren Sorgen berichtet. Die Redaktion bat Betroffene und Stadt zum gemeinsamen Vor-Ort-Termin.
Freitagmorgen treffen sich einige Anwohner mit Michael Anders und Marcel Zipser aus dem Bereich Straßenverkehr im Ordnungsamt. Start des Rundgangs ist die Baumstraße. Hier befinden sich zwei Tiefgaragen mit 28 bzw. 19 Stellplätzen. Zwei davon gehören Karin Greife und Ralf Friedrich. Sie haben gleich hier die erste Frage: „Früher war die Baumstraße keine Einbahnstraße. Warum öffnet man sie nicht wie früher?“, wollen sie wissen. Die Antwort kommt prompt: „Das ist aus verkehrsrechtlichen Gründen nicht vertretbar, die Straße ist im oberen Bereich maximal 3,70 m breit“, erklärt Ordnungshüter Anders.
Die Lieferanten der Kneipen können nicht mehr halten
Dann zeigen die Anwohner, wie es für sie nach der Tiefgarage weitergeht. „Wir fahren erst rechts die Baumstraße runter.“ Unten angekommen müssen sie wieder rechts in die Salzstraße Am Wasser einbiegen – dort, wo sich mehrere Cafés und Restaurants befinden. „Kellner flitzen an schönen Tagen über die schmale Straße, um die Gäste zu bedienen“, erklärt Friedrich. „Da müssen wir höllisch aufpassen.“ In der Straße herrscht absolutes Halteverbot, was auch für die Gastronomie nicht ganz einfach ist. „Hier benötigt die Feuerwehr eine Aufstellfläche für den Notfall“, erklärt Marcel Zipser und schickt parellel einen Lieferanten weg, der gerade genau in dieser Fläche seinen Transporter mit Miettextilien parkt. Der Fahrer will das Schild nicht gesehen haben. Er sagt, er brauche doch nur zwei Minuten. „Fahren Sie weg oder Sie bekommen ein Ticket“, bleibt Zipser hart.
Der Lieferant gehorcht und es geht weiter mit den Anwohnern, die ihren Weg aus dem Viertel weiter beschreiben. Auf Höhe der Kneipe Pons müssen sie normalerweise stoppen, denn hier sausen auch schon morgens viele Radler und E-Scooter-Fahrer vorbei. Rechts vor links interessiere keinen. „Warum können wir nicht wie früher rechts am Pons durch die kleine Lünerstraße Richtung Auf dem Kauf fahren“, fragen Karin Greife und Ralf Friedrich. Die Straße ist neuerdings mit Pollern an beiden Enden abgesperrt. „Das gehört zur Steigerung der Aufenthaltsqualität. Wir haben die Straße genau deswegen zugemacht, denn sie wurde früher als Ausweichstrecke missbraucht“, sagt Zipser. Auch Einbahnstraßenschilder seien damals nicht beachtet worden.
Mit dem Auto mitten durch den Szene-Treff
Daher müssen Autofahrer nun links über die Brücke. Doch da naht schon das nächste Problem: An schönen Tagen ist die Brücke voll mit jungen Leuten. „Bridgen“ ist beliebt. „Wir finden es toll, dass die dort sitzen, wir haben auch überhaupt nichts dagegen. Das ist ja einer der ganz wenigen Orte für junge Leute“, betonen Friedrich und Greife. „Aber mit dem Auto kommt man dort an warmen Tagen nicht durch. Außerdem möchten wir durch keine Partymeile fahren.“ Beide berichten, dass Autofahrer beim Stadtfest Anfang Juni gar keine Chance gehabt hätten, die Brücke zu passieren, auch nicht tagsüber. „Es wird spannend, weil es der erste Sommer nach der Einführung der neuen Verkehrsführung ist“, sagt Friedrich.
Wenn es Autofahrer schließlich über die Brücke geschafft haben, biegen sie nach links in die Kaufhausstraße ein. Dort dürfen sie aber nicht am Hotel vorbei direkt zur Reichenbachstraße weiterfahren, sondern müssen kurz vorher wieder rechts in die kleine Straße Am Werder mit einer engen Kurve abbiegen. „Wir mussten die Zufahrt zur Reichenbachstraße mit Pollern schließen, weil auch diese Ecke als Schleichweg missbraucht wurde“, erklärt Marcel Zipser.
Wie schwer Am Werder für viele Autofahrer zu befahren ist, beobachtet Anwohnerin Heidi Reschka jeden Tag: „Vor allem für Lkw und Busse ist es schwierig. Und am Ende der Straße staut sich häufig der Verkehr.“ Denn der muss dann nach links in Richtung Schießgrabenstraße fahren. Heidi Reschka vermutet, dass viele durch ihre nicht aktualisierten Navis falsch geleitet werden. Genau das zeigt sich auch beim Vor-Ort-Termin: Zahlreiche Autos, mit auswärtigen als auch ortsansässigen Kennzeichen, fahren falsch herum in die Einbahnstraße. Oder sie stoppen irritiert und müssen umdrehen.
Und noch etwas beobachten die Anwohner täglich: „Die Radfahrer, egal ob vom oder zum Bahnhof, kommen herangesaust. Da wird nicht auf rechts vor links geachtet, da wird nicht an den Einmündungen gehalten. Es gibt hier viele Gefahrenstellen, wir haben Angst, dass da mal was passiert“, sagen Karin Greife, Heidi Reschke und Ralf Friedrich. Er betont: „Es geht ja nicht nur uns so. Wir bekommen auch Besuch, es fahren Touristen, Pflegedienste, Paketdienste und Taxen durch das Viertel.“
Stadt lädt nochmal zum Austausch ein
Michael Anders und Marcel Zipser nehmen sich viel Zeit für die Sorgen und Anregungen der Anwohner. „Wir werden wohl an einigen Stellen mal häufiger schauen“, kündigt Anders an. „Und wir nehmen die neuralgischen Punkte mit zu unserem nächsten Treffen mit der Polizei“, verspricht Zipser.
Kurz nach dem Termin lässt Lüneburgs Verkehrsdezernent Markus Moßmann in einer E-Mail an die Redaktion ausrichten: „Wir wollen die Kritik der Anwohnenden und Gewerbetreibenden aufnehmen und werden daher Ende August, spätestens im September, noch einmal ein Treffen zum Austausch anbieten.“